Der Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. ist der Branchenverband und die politische Interessenvertretung des freien Kfz-Teile- Großhandels in Deutschland. Er spricht auch für die Einzelhändler von Kfz-Ersatzteilen. Im GVA sind Handelsunternehmen mit über 1000 Betriebsstellen sowie Kfz-Teilehersteller und Anbieter technischer Informationen organisiert.

Herr Vollmar, ein Jahr im Amt als Präsident des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. – was waren die größten Überraschungen und was waren die größten Enttäuschungen Ihrer einjährigen Amtszeit?

Thomas Vollmar: Heute nach gut einem Jahr im Amt kann ich von einigen positiven Überraschungen sprechen. Zunächst hatte ich Sorge, dass ich von meinen ehemaligen Wettbewerbern als nicht neutral in meiner neuen Funktion gesehen werde. Dies hat sich in keiner Weise bestätigt. Ich erlebe hier großes Vertrauen, welchem ich durch mein Handeln unbedingt gerecht werden möchte. Ich schätze die Aktivitäten der engagierten Kooperationen und der Teilehändler. Sie alle tragen dazu bei, den freien Markt noch stärker und zukunftsfähiger zu machen. Zudem erlebe ich in unseren Gremien und den unterschiedlichen Sitzungen einen sehr ausgeprägten Zusammenhalt in der Sache, trotz bestehender Wettbewerbssituationen – das ist keineswegs selbstverständlich. Unserem Verband begegnen nationale und internationale Verbände in Berlin und Brüssel mit Respekt und die vielen neuen persönlichen Kontakte sind sowohl fachlich als auch menschlich sehr wertvoll. Auch die Zusammenarbeit im GVA-Präsidium empfinde ich als sehr angenehm, professionell und vertrauensvoll. Hier muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass sich erfolgreiche Unternehmer mit vielen Sitzungstagen, langen Anreisen und Telefonaten für die Brancheninteressen ehrenamtlich engagieren. Sie setzen sich mit sehr viel Herzblut ein, was nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Auch unsere Mannschaft, verteilt auf unsere zwei Standorte in Ratingen und Berlin, bereitet mir mit ihrem Fachwissen und ihrem Einsatz sehr viel Freude. Insofern kann ich von einigen positiven Überraschungen berichten, während es gleichzeitig noch keine Enttäuschung gegeben hat – ich hoffe, dass das auch die nächsten Jahre so bleibt.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit hatten Sie angekündigt, neue Akzente in der Zusammenarbeit mit anderen Verbänden – insbesondere mit dem VDA – setzen zu wollen. War diese Absicht von Erfolg gekrönt?

Thomas Vollmar: Eindeutig ja! Gerade auf der Präsidiumsebene des sehr wichtigen Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) haben wir mit vielen komplementär agierenden Fach-Verbänden neue Anknüpfungspunkte gefunden, die das Verfolgen von gemeinsamen Zielen einfacher machen. Nach einigen Monaten hat dann auch das angestrebte Gespräch mit dem VDA stattgefunden. Mit der VDA-Präsidentin, Frau Hildegard Müller, konnten wir nach über 20 Jahren Funkstille unsere gemeinsamen Interessen, wie z.B. Technologieoffenheit, E-Fuels oder Euro-7 herausarbeiten und einen engeren, direkteren Dialog bei zukünftigen Auseinandersetzungen vereinbaren. Zudem konnte das Verbandsnetzwerk auch auf der Ebene des Automechanika-Beirats mit den Entscheidern aller relevanten Automotive-Verbänden gefestigt werden. 

Die EU hat die Geltungsdauer der sog. Aftermarkt-GVO um weitere fünf Jahre bis zum 31.05.2028 verlängert. Sehen Sie sich dadurch in Ihren bisherigen Forderungen bestätigt oder besteht weiterhin Handlungsdruck in diesem Bereich?

Thomas Vollmar: Grundsätzlich sind wir mit der Verlängerung der sog. Aftermarket-GVO für den Kraftfahrzeugsektor um weitere fünf Jahre zufrieden und sehen uns auch in unseren bisherigen Bemühungen bestätigt. Allerdings hätten wir die in den ergänzenden Leitlinien berücksichtigten Regelungen zur Bereitstellung von fahrzeuggenerierten Daten lieber in der verbindlichen Verordnung gesehen. Nach der GVO heißt für uns vor der GVO. Wir müssen bereits heute schon wieder mit Praxisbeispielen, Anhörungen und Initiativen auf die nächste Verlängerung der Kfz-GVO hinarbeiten und die dynamische, technologische Entwicklung sowie die Digitalisierung in unseren Stellungnahmen und Vorschlägen zum Verordnungstext berücksichtigen. 

Eine zentrale Forderung des GVA betraf und betrifft den fairen Zugang zu Fahrzeugdaten. Nun hat die EU mit dem Datengesetz / Data Act eine Regelung geschaffen, wonach der Nutzer eines Geräts von dem Hersteller die Herausgabe der Daten oder auch die Weitergabe an Dritte verlangen kann. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks begrüßt das Gesetz. Sie fordern eine weitergehende Regelung. Was ist Ihre Zielvorstellung?

Thomas Vollmar: Auch der GVA begrüßt das neue Datengesetz, zumal es einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Bezogen auf den Kfz-Sektor geht uns das Gesetz aber tatsächlich nicht weit genug. Eine sektorale Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierten Daten ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Das Gesetz berücksichtigt leider nicht die enorme Komplexität und Vielfalt von Daten aus dem Fahrzeug, die letztlich auch sicherheitsrelevant sind.  Hier wird ein Fahrzeug nicht anders betrachtet als eine Kaffeemaschine. Die Fragen zum gleichberechtigten Zugang zu den Daten bis hin zu den Aspekten der Cybersecurity werden nicht geregelt. Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierte Daten spielen aber heute schon eine entscheidende Rolle und nicht erst in fünf Jahren. Im Moment haben die Fahrzeughersteller aufgrund eines fehlenden geeigneten Rechtsrahmens eine faktische Monopolstellung, da die Daten auf ihren Servern liegen und nur sie entscheiden, wer, wann auf welche Daten zugreifen kann. Daher können wir selbstverständlich noch nicht mit dem Datengesetz zufrieden sein. Die innovativen Akteure des freien Marktes dürfen nicht ins Abseits geraten, dafür kämpfen wir weiter.

Der Anteil von E-Fahrzeugen bei den Neuzulassungen in Deutschland liegt bei mittlerweile 16 Prozent – Tendenz steigend. Sind Ihre Werkstätten darauf vorbereitet und könne Sie mit Ihrer Infrastruktur den erforderlichen Service dafür bieten?

Thomas Vollmar: Der GVA vertritt die berufsständischen Interessen des freien Kfz-Teilehandels. Unsere Mitglieder bedienen die freien Werkstätten mit Qualitätsteilen, Werkstattausrüstung und mit einem riesigen Dienstleistungs- und Schulungsangebot. Hierzu gehört selbstverständlich auch das komplette Equipment rund um die Elektromobilität. Und im Hinblick auf die Qualifizierung von Fachkräften in den Ausbildungsberufen der Kfz-Branche, werden in Abhängigkeit von den jeweils gültigen Rahmenlehrplänen elektrotechnische Grundkenntnisse sowohl im theoretischen als auch im praktischen Teil vermittelt. Die meisten Kfz-Mechatroniker besitzen mit abgeschlossener Ausbildung den Abschluss der Fachkundeausbildung nach Stufe 2S. Für den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik gilt indes die Stufe 3S.

E-Fahrzeuge gelten im Vergleich zu Fahrzeugen mit klassischen Antriebsarten als deutlich wartungsärmer. Angeblich ist der Wartungsaufwand circa 30 bis 35 Prozent geringer. Wie kompensieren Ihre Mitgliederdiesen sicherlich auch im Umsatz spürbaren Effekt?

Thomas Vollmar: Diese Frage treibt die Branche bereits seit vielen Jahren um und dennoch müssen wir hier ganz nüchtern die Realität betrachten. Die Werkstätten verspüren trotz Elektrofahrzeugen noch keinen Einfluss auf ihre Auslastung, die aktuell bei über 85 Prozent liegt. Der Anteil von Elektrofahrzeugen am gesamten Fahrzeugbestand ist Mitte 2023 kleiner als 3 Prozent. Nun kennen wir das politische Ziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030. Mit den aktuellen Neuzulassungszahlen ist nicht mit einem Erreichen dieses Ziels zu rechnen, allerdings können die neuen Batteriegenerationen mit Reichweiten von 1.000 Kilometern und deutlich günstigeren Preisen in den nächsten Jahren einen regelrechten Boom auslösen. Mit 15 Millionen Elektrofahrzeugen wären aber noch immer knapp 35 Millionen Verbrennerfahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs. Das Werkstattgeschäft wird sich also nur allmählich verändern, zumal die Entwicklung bei den Neuzulassungen den Sekundärmarkt erst mit einer deutlichen Verzögerung erreicht. Dann werden die Werkstätten mit neuen Schadensbildern in der Werkstatt umgehen. Bremsen werden bei den Elektrofahrzeugen kaum verschlissen, dafür verrotten bzw. verkleben sie regelrecht, da sie kaum benutzt werden müssen. Fahrwerks- und Lenkungsteile werden aufgrund des höheren Fahrzeuggewichts stärker beansprucht und müssen ausgetauscht werden. Und bei Crash-Fällen werden die Reparaturen mit den Batterieeinheiten in der Bodenplatte deutlich anspruchsvoller. Insofern würde ich mich heute weder als Teilehändler noch als Werkstattinhaber diesen Weltuntergangsgedanken anschließen. 

Der Mangel an Fachkräften gilt als ein Haupthindernis für die Bewältigung des Strukturwandels in der Automobilindustrie mit einem Schwerpunkt bei den Elektroberufen. Wie gehen Ihre Mitgliedsunternehmen mit dieser Problematik um? Gelingt es Ihnen das erforderliche Fachpersonal zu rekrutieren?

Thomas Vollmar: Auch hier müssen wir unterscheiden zwischen dem Großhandel und den Werkstätten. Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ist bei den männlichen Schulabgängern noch immer am beliebtesten. Letztes Jahr haben sich ca. 70.000 Auszubildende für diesen Beruf entschieden, um die die Autohäuser und Werkstätten mit vielen weichen Faktoren buhlen. Hier gibt es regionale Besonderheiten und immer die Frage nach den Zukunftsperspektiven. Diese Frage muss jedes Unternehmen beantworten können. Ähnlich sieht es im Teile-Großhandel aus, der sich im Wettbewerb um Fachkräfte mit der gesamten Automotive-Welt behaupten muss. Bei dem aktuellen Arbeitnehmermarkt ist das eine echte Herausforderung, zumal bei immer mehr Bewerbern die Themen Homeoffice und Work-Life-Balance bei maximalem Gehalt im Vordergrund stehen. Davon abgesehen unterstützen wir unsere Mitgliedsunternehmen, in dem wir mit verschiedenen Kampagnen die Attraktivität unserer Branche hervorheben. Unser GVA-College zählt zu den renommiertesten Fortbildungsprogrammen im Bereich Kfz-Teilehandel bzw. Kfz-Teileindustrie. Zudem bieten wir ein breites Seminarprogramm, das kontinuierlich weiterentwickelt wird und den sich ändernden Rahmenbedingungen des Marktes und der Branche Rechnung trägt.

*Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller, freier Redakteur

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