Dank zunehmender Digitalisierung werden Fahrzeuge immer intelligenter. Sie benötigen eine entsprechend höhere Rechenleistung, als sie über heutige Steuergeräte zur Verfügung gestellt werden kann. Um die Komplexität der E/E-Systeme und die Anforderungen an die fahrzeuginterne Kommunikation nicht noch weiter zu erhöhen, werden Hochleistungsrechner (High Performance Computer, HPC) ins Fahrzeug integriert. Die Integration der HPCs und die Verbindung ins Internet ermöglichen eine neue Form der Diagnose. Diese wirdbewerkstelligt. Mit der Smart Diagnostic Engine hat Softing bereits eine funktionsorientierte Diagnoselaufzeitumgebung im Einsatz, mit der die neuen Diagnoseaufgaben schon heute gelöst werden.

Standardisierte HPC-Diagnose durch SOVD

Mit Einzug der Hochleistungs-PCs werden auch neue Diagnoseaufgaben im Fahrzeug integriert: Der HPC stellt Eigendiagnosen, Funktionsdiagnosen und – da er die Verbindung ins Internet ermöglicht – auch das Interface für herkömmliche Steuergeräte (Electronic Control Unit, ECU) dar. Aus Sicht des externen Analysetools bedeutet dieses Vorgehen eine erheblich höhere Informationsqualität, da viele Informationen bereits vor der Übertragung vorgefiltert, aggregiert und bewertet werden. Eine solche Diagnoseschnittstelle hat neben OEMs zahlreiche weitere Interessenten: HPC-, ECU- und Tester-Hersteller sowie auch Flottenbetreiber, Prüforganisationen, Versicherungen und Gesetzgeber. Folglich liegt die Standardisierung der Schnittstelle nahe. Sie erfolgt aktuell im ASAM e.V. unter dem Namen SOVD (Service Oriented Vehicle Diagnostics) und liegt bereits in einer Version 1.0 vor. Ziel ist die Definition einer Schnittstelle, welche die Diagnose am Fahrzeug, etwa in der Werkstatt (Proximity), über Remote-Zugriff oder als Tester direkt im Fahrzeug (InVehicle) erlaubt. Dabei sollen zur Vereinfachung der Standardisierung und der späteren Implementierung möglichst existierende Technologien und Standards eingesetzt und kombiniert werden.

Heutige Diagnoseprotokolle arbeiten in der Regel im Request-Response-Verfahren. Dabei werden vom Tester meist pro ECU einzelne Datenelemente abgefragt und anschließend im Tester ausgewertet. Die Informations-„Happen“ stehen in engem Zusammenhang und sind oft redundant in verschiedenen ECUs verfügbar sowie zeitlich nicht korreliert. Bei serviceorientierten Abfragen wird hingegen nur genau die benötigte Information ermittelt. Die Vorverarbeitung hat also bereits durch den Datenserver, in diesem Fall der SOVD-Server im HPC, stattgefunden. Ob die Daten dazu von den ECUs einzeln abgefragt oder bereits kontinuierlich im HPC aggregiert wurden, spielt keine Rolle. SOVD wird die heutige, klassische Diagnose jedoch nicht ersetzen. Vielmehr werden existierende Anwendungen, wie Fehlerspeicheroperationen, ECU-Programmierung oder Variantenkodierung, durch neue ergänzt. Zu den datenorientierten Use Cases gehört beispielsweise die Option, HPC-interne Größen oder große Datencontainer auszulesen. Mit Prozessbezug sollen der Fahrzeugzustand analysiert oder Fahrzeugdaten im HPC geloggt werden können. Fahrzeugbezogene Anwendungsfälle umfassen z.B. die Ausführung von Abläufen im Fahrzeug oder den parallelen Zugriff mehrerer Tester.

Softing SDE als SOVD-Prototyp

Als Modular-Vehicle-Communication-Interface-Server (MVCI-Server) mit ODX-Daten hat sich die Idee eines Diagnoseservers bereits seit vielen Jahren etabliert. Sie ist standardisiert und bereits durch OTX für Diagnoseabläufe ergänzt. Allerdings ist die im Standard definierte objektorientierte API für Remote-Anwendungen aufgrund der Vielzahl an benötigten Funktionsaufrufen ungeeignet. Softing hat daher seit Jahren eine erweiterte Lösung im Einsatz, die plattformunabhängig umgesetzt ist und den MVCI-Server und die OTX-Runtime um eine funktionsorientierte API erweitert. Mit dieser kann der Anwendungsentwickler unabhängig vom Diagnoseprotokoll immer genau auf die Funktionen zugreifen, die er benötigt. Die Implementierung ist herstellerabhängig oder, je nach Funktion, sogar variantenabhängig. Sie kann daher über eine Konfigurationsdatei (Application Guideline, AGL) gesteuert werden.

Softing SDE ist heute bereits in unterschiedlichsten Bereichen im Einsatz: in PC-Anwendungen in Entwicklung, Produktion und Werkstatt, auf Smart Devices, aber auch in Embedded-Anwendungen wie Datenloggern und auf Telematic Control Units (TCUs) im Fahrzeug. Bei Vergleich der Anwendungsfälle mit denen des SOVD-Servers, ergibt sich eine vollständige Übereinstimmung. Beide Lösungen adressieren fahrzeuginterne, fahrzeugnahe und Remote-Anwendungen, bieten eine funktionsorientierte API und unterstützen die heutige, klassische Diagnose. Der funktionsorientierte Ansatz ist insbesondere für die Remote-Diagnose geeignet, weil er die Informationsermittlung und -aufbereitung von der häufig unzuverlässigen Übertragungsstrecke entkoppelt. An den Diagnoseserver wird dabei eine Anfrage gestellt, der Server bezieht Daten aus unterschiedlichen Quellen und bereitet diese auf. Anschließend wird das Ergebnis zurückgemeldet. Kommt es dabei zu Verzögerungen hat das keinen Einfluss auf die Aussagekraft der Information.

Ein Beispiel der zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten ist das Remote Engineering, bei dem rare Testfahrzeuge zentral verwaltet und von verschiedenen Anwendern weltweit verwendet und aktualisiert werden können. In der Werkstatt kann ein Servicetechniker bei komplizierten Fällen Remote-Support von einem Technischen Center erhalten. Dies ist besonders von Bedeutung, wenn die Werkstatt zum Fahrzeug kommen muss, etwa bei Bau- oder Landmaschinen. Und auch in der Produktion ergeben sich durch Integration der Softing SDE im VCI große Vorteile, weil die komplette Diagnoselösung an der richtigen Stelle im Fahrzeug angesteckt und unabhängig von der WiFi-Ausleuchtung Diagnoseabläufe an allen Bandpositionen ausführen kann. Für die Flash-Programmierung wird dann keine WiFi-Verbindung mehr benötigt und Testergebnisse von autarken Prüfabläufen im VCI werden an geeigneter Stelle ausgelesen.

Diagnose von morgen schon heute beginnen

Der Einsatz eines Standards hat gerade in den Fällen Vorteile, in denen verstärkt mit anderen Firmen zusammengearbeitet wird. Unabhängig davon spricht einiges dafür, mit etablierten Umsetzungen, wie der Softing SDE, bereits heute zu starten: Die Parallelität von Legacy und Neuimplementierung, ein funktionierender ODX-Datenprozess und die Durchgängigkeit der Lösung. Auch wenn in neuen Fahrzeugen durch Einführung der HPCs erheblich mehr Diagnose im Fahrzeug implementiert wird, müssen heutige Fahrzeuge noch Jahrzehnte gewartet und repariert werden. Wenn beide Lösungen ähnliche Basisfunktionalitäten verwenden, dann wird der Umstieg einfacher und weniger fehleranfällig. Gerade die Einführung funktionierender Datenprozesse bedeutet einen hohen Aufwand – heute sind diese Prozesse stabil. Eine Integration der Softing SDE führt da lediglich zu einer Neulokalisierung. Die Daten liegen dann verschlüsselt auf dem HPC im Fahrzeug, Freigabeprozeduren bleiben hingegen wie sie heute sind. Die Datenverarbeitungskette schließlich ist geschlossen: In der Entwicklung ist die SDE im Entwicklungstester auf dem PC integriert, in der Produktion wandert sie ins VCI und im Servicefall ist sie im HPC als Teil des Fahrzeugs verfügbar. Sobald die SOVD-Methodik im Unternehmen implementiert ist, kann eine entsprechende Erweiterung nachgerüstet werden. Die Diagnose bleibt in allen Fällen zuverlässig, da sich Daten und Laufzeitverhalten nie ändern.

Autor: Markus Steffelbauer

Leiter des Produktmanagements
Softing Automotive Electronics GmbH

https://automotive.softing.com

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