Seit über 20 Jahren gilt in Europa die Richtlinie über Altfahrzeuge (2000/53/EG) – auch bekannt als ELV -, die besagt, dass sich Autos beinahe vollständig recyceln lassen müssen. Um dies zu erreichen, müssen jedoch die verwendeten Materialien und Werkstoffe bekannt sein. Dafür wurde von einer Gruppe von Automobilherstellern zusammen mit dem Software-Entwickler DXC Technology (damals EDS) das Internationale Materialdatensystem IMDS entwickelt. Vom Hersteller der einzelnen Werkstoffe über die Komponentenhersteller bis hin zum OEM trägt die gesamte Automobillieferkette ihre Daten in das System ein, das mittlerweile Teil der Bemusterung (EMPB/PPAP) und somit des Freigabeprozesses sind. Ohne Freigabe der IMDS-Daten wird kein PKW genehmigt. „Als im Laufe der Zeit immer mehr gesetzliche Vorgaben hinzukamen, etwa Stoffverbote und der Nachweis der Einhaltung der REACH-Verordnung, konnte die Automobilindustrie auf die im IMDS vorhandenen Daten zurückgreifen“, erläutert Markus Engel, Material-Compliance-Experte bei imds professional GmbH & Co.KG, die Vorteile des Systems.

Das IMDS wurde und wird regelmäßig an veränderte Rahmenbedingungen angepasst, sodass die Anwenderunternehmen die rechtlichen Vorgaben einhalten und ihren Berichtspflichten nachkommen können. Das IMDS hat sich als weltweiter Standard etabliert und immer mehr Automobilhersteller treten dem Verbund bei. Inzwischen gibt es auch eine Schnittstelle zum chinesischen Materialdatensystem, dem CAMDS. Denn auch in China gelten Recyclingvorgaben sowie Stoffverbote. Von OEM, die ihre Autos auf den chinesischen Markt bringen oder Unternehmen, die an diese liefern, wird erwartet, dass sie ihre Daten in das CAMDS eintragen. Zuletzt wurde zudem eine Schnittstelle zur SCIP-Datenbank aktiviert. Alle EU-Unternehmen, die Produkte in der EU herstellen und/oder hier auf den Markt bringen, die SVHC ab 0,1 Masseprozent enthalten, sind verpflichtet, diese Produkte in die SCIP-Datenbank einzutragen. Der Vorteil der Automobilindustrie: Die Daten und die Lieferketten sind im IMDS bereits enthalten und können dafür genutzt werden. Dafür wurden die Nutzungsbedingungen des Systems angepasst.

Eine Herausforderung stellt das IMDS oft für Hersteller von elektronischen und elektrischen Komponenten dar. Diese sind in der Regel keine reinen Automobilzulieferer, sondern produzieren auch für andere Branchen. Sie sind zunächst anderen gesetzlichen Regelungen wie etwa der RoHS-Richtlinie unterworfen. Die RoHS-Richtlinie dient zur Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten und zur Reduzierung des Schadstoffgehalts, um Mensch und Umwelt zu schützen sowie das Recycling zu verbessern. Allerdings ähneln sich RoHS und die ELV dahingehend, dass beide beispielsweise Schwermetalle wie Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertiges Chrom beschränken. „Änderungen der RoHS-Richtlinie und ihrer Ausnahmen werden meist auch in der Altfahrzeugrichtlinie nachgezogen. So ist es absehbar, dass die RoHS-Ausnahmeregelungen für Blei in Aluminiumlegierungen bei der nächsten Revision der ELV wahrscheinlich auch dort Eingang finden,“ sagt Dr. Berthold Liebig, Senior Material Compliance Experte bei ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG. Das Unternehmen stellt unter anderem Ventilatoren und elektrische Antriebe für die Automobilindustrie her.

Darüber hinaus wird auf EU-Ebene über eine Aufnahme von Blei in den Anhang XIV der REACH-Richtlinie diskutiert. Dies wird sich ebenfalls auf die Berichterstattung im IMDS und in der SCIP-Datenbank auswirken und die Unternehmen können so ihre Konformität nach REACH und der WFD-Richtlinien nachweisen. „Auch im Hinblick auf andere Stoffbeschränkungen, wie sie zum Beispiel beim digitalen Produktpass der neuen geplanten Ökodesignverordnung vorkommen können, ist ein Dokumentationstool wie das IMDS von Vorteil”, so Liebig weiter. Außerdem wird im IMDS bei Kunststoffteilen die Normbezeichnung, was eine spätere Sortierung erleichtern kann, und der Rezyklatanteil sowie deren Herkunft (post production oder post consumer) abgefragt. Die Daten aus dem IMDS, wie zum Beispiel die dokumentierten Auflistungen von Werkstoffen, könnten auch als Grundlage für einfache Ökobilanzen bzw. den CO2-Fußabdruck eines Produktes dienen. Damit werden Studien im Bereich Nachhaltigkeit möglich und fundiert nachweisbar. Unterschiedliche Bauteile stellen hier allerdings unterschiedliche Herausforderungen, wie z.B. Elektronikbauteile.

„Diese Aktivitäten mit den IMDS-Daten können auch als Referenz z.B. als REACH- Nachweis in Fragebögen bei Nachhaltigkeitsratings eingesetzt werden“, sagt Berthold Liebig.

Seit Januar 2023 gilt in Deutschland zusätzlich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). „Dieses betrifft zwar direkt zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, die bestimmte Sorgfaltspflichten unter anderem zu Menschenrechten und Umweltschutzbedingungen einhalten müssen“, erklärt Tim Thome,  Experte für die Einhaltung von Umweltvorschriften bei Produkten bei imds professional. „Aber auch deren Zulieferer können indirekt betroffen sein, da ihre Kunden Auskünfte zum Beispiel zur Herkunft von Komponenten erwarten.“ Und hier könne ebenfalls das IMDS hilfreich sein, um auf bestehende Lieferketten zurückzugreifen und zu wissen, woher welche Produkte und Komponenten bezogen werden. Diese Informationen können beispielsweise für die Risikoanalyse genutzt werden. In anderen Ländern in Europa – etwa Frankreich, Niederlande und Großbritannien – gelten bereits ähnliche Gesetze, in Brüssel wird aktuell an einem EU-Gesetz gearbeitet. „Und spätestens, wenn im nächsten Jahr auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern unter das LkSG fallen, kommt kaum ein Unternehmen darum herum, sich mit dem Thema zu befassen“, ist sich Tim Thome sicher.

Um alle gesetzlichen Vorgaben zur Produkt-Compliance korrekt umzusetzen, bedarf es allerdings entsprechender Prozesse im Unternehmen und auch Werkstoffkenntnisse und/oder chemisches Wissen sollten vorhanden sein. Zudem müssen häufig Systeme wie das IMDS, das CAMDS, BOMcheck oder auch die SCIP-Datenbank bedient werden, um Daten entlang der Lieferkette weiterzureichen. Dienstleister wie imds professional können dabei helfen, sowohl Prozesse als auch Know-how aufzubauen. In Schulungen und Coachings wird das notwendige Wissen vermittelt und Unternehmen in ihrer Arbeit unterstützt. Wer die zahlreichen Aufgaben rund um die Materialberichterstattung nicht selbst übernehmen möchte oder kann, kann auf den Service von imds professional zurückgreifen. “Wir übernehmen beispielsweise das Lieferantenmanagement, was oft sehr zeitaufwändig ist, können die Daten validieren und Materialdatenblätter erstellen. Wenn keine Daten zu erhalten sind oder diese auf Korrektheit überprüft werden sollen, kann eine auch Laboranalyse hilfreich sein” erläutert Markus Engel. Diese Laboranalysen führt imds professional in Zusammenarbeit mit Partnern durch.

„Auch wenn die zunehmenden Gesetze und Stoffbeschränkungen zunächst einmal viel Arbeit für die Unternehmen bedeuten, sollte man sich auch das Ziel vor Augen führen: Umweltschutz und Nachhaltigkeit sollen gestärkt und die menschliche Gesundheit geschützt werden. Systeme wie das IMDS unterstützen dabei, dieses Ziel zu erreichen. Und auch für Recyclingbetriebe kann das IMDS nicht nur hilfreich dabei sein, um zu wissen, woraus die einzelnen Komponenten eines Autos bestehen, um diese zu recyclen. Sie könnten darüber hinaus erfahren, wer welche Recyclate nutzt und benötigt und sich so auch einen neuen Kundenkreis erschließen”, ist Markus Engel vom Nutzen des IMDS für alle Beteiligten überzeugt.

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