Welche Auswirkungen der Transformationsprozess in der Automobilindustrie auf die Beschäftigung mittel- und langfristig haben wird, ist in hohem Maß selbst unter Fachleuten umstritten. Insbesondere die Umstellung auf E-Mobilität und der damit einhergehende Bedeutungsverlust von Verbrennungsmotor und des gesamten Antriebsstrangs werden nicht ohne Konsequenzen für die Beschäftigung bleiben.

Bereits 2022 kündigte Jim Farley, CEO von Ford an, für den Bau von E-Autos 40 Prozent weniger Arbeiter zu benötigen als für die Herstellung eines Fahrzeugs mit klassischem Verbrennungsmotor. Damals noch belächelt oder nicht ernst genommen sind wir mit der angekündigten und zeitnah zu erwartenden Schließung des Ford Produktionswerkes in Saarlouis in der schmerzhaften Realität angekommen. 1970 gegründet waren hier zuletzt noch 4800 Mitarbeiter beschäftigt. Circa 1700 Beschäftigte arbeiten bei unmittelbaren Zulieferern in der näheren Region. Ford wird komplett seine Fertigung auf Elektromodelle umstellen und die Produktion an anderen Standorten konzentrieren.

Ist dies der Modellfall für die gesamte Branche und drohen uns ähnliche Szenarien auch von unseren deutschen Herstellern?

Noch sind die Aussagen und Planungen nicht eindeutig oder gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Mercedes-Benz geht nach vorsichtigen Aussagen seines Vorstandsvorsitzenden Källenius davon aus, seinen Personalbestand bis zum Jahr 2030 zu reduzieren ohne jedoch zu präzisieren, wo und wie sich in dieser Reduzierung der Transformationsprozess widerspiegelt.

Volkswagen hingegen sieht keine tiefgreifenden Risiken im Hinblick auf Jobverluste. Selbst deren Konzern-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo führte unlängst aus, dass „dieser tiefgreifende Wandel der Branche nicht in dramatischen Brüchen enden“ würde.

Doch scheint die Perspektive einzelner OEM`s nicht die gesamte Bandbreite des kommenden Problems zu spiegeln.

So kommt der Branchenverband VDA in einer umfassenden Studie zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Elektrifizierung der Neuwagenflotte zu erheblichen Beschäftigungsverlusten in der Automobilindustrie sowie in vor- und nachgelagerten Branchen führen werde, wobei die automobile Zulieferindustrie besonders hart betroffen sein werde. Hier sind es besonders die Unternehmen, die ihren Schwerpunkt in der metallverarbeitenden Fertigung rund um den Antriebsstrang des Verbrennungsmotors haben. Diese Komponenten – vornehmlich Motor und Getriebe – finden sich im elektrisch angetriebenen Fahrzeug nicht mehr und werden dort durch andere Bauteile substituiert.

Und die Fertigung dieser Bauteile – in erster Linie Elektromotor und Batteriezellen- wird bei weitem nicht die durch den Wegfall des Antriebsstranges zurückgehende Beschäftigung kompensieren. Dies liegt zum einen daran, dass der Elektromotor deutlich weniger Bauteile aufweist und zum anderen daran, dass der Schwerpunkt der Wertschöpfung in der Batteriezellenfertigung in Asien liegt. Auch wenn unsere deutschen Hersteller mit Hochdruck in Entwicklung und Fertigung von Batteriezellen investieren, wird es noch Jahre dauern, bis sich daraus spürbare Beschäftigungseffekte in Deutschland ergeben. So arbeiten aktuell im BMW-Pilotwerk für Batteriezellenfertigung in Pasdorf  bei München gerade circa 50 Mitarbeiter. Im Bau befindliche Werke wie bei Stelantis in Kaiserslautern, Tesla in Grünheide oder dem chinesischen Batteriehersteller CATL in Erfurt werden erst Mitte des Jahrzehnts die Produktion aufnehmen.

Auch und gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels muss es die Aufgabe aller am automobilen Wertschöpfungsprozess Beteiligten – Unternehmen, Politik, Verbände und Gewerkschaften – sein, den Beschäftigungsabbau so weit wie möglich zu vermeiden und damit auch die Chance für künftiges Wachstum zu erhalten.

Ist der Beschäftigungsabbau erst einmal vollzogen, werden sich die hoch qualifizierten Fachkräfte in andere Branchen orientieren und sie werden für den Aufbau einer umfassenden elektromobilen Automotiv-Wertschöpfungskette in Deutschland nicht mehr zur Verfügung stehen. Es wird dann die Basis fehlen, die für die Entwicklung einer international führenden Wettbewerbsposition dringend erforderlich ist.

Zur Verhinderung des Beschäftigungsabbaus gehört aber zwingend eine technologieoffene klimapolitische Perspektive – gerade im Hinblick auf die Entwicklung und Verwendung strombasierter Kraftstoffe.

Noch im Oktober 2021 hatte die Bundesregierung in Bezug auf erneuerbare Kraftstoffe -sogenannte E-Fuels- erklärt, dass Technologieoffenheit den Mobilitätsstandort Deutschland stärke, die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessere und hochwertige Arbeitsplätze in unserem Land sichere.

Keine 18 Monate nach dieser Veröffentlichung stimmte die gleiche Bundesregierung einem Entschluss des EU-Ministerrats zu, wonach in der Europäischen Union ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Nur der Hartnäckigkeit des deutschen Verkehrsministers mit Unterstützung seiner Kollegen aus Italien, Polen, Tschechien und Österreich war es zu verdanken, dass mit dieser Entscheidung dem Verbrennungsmotor nicht endgültig der Garaus gemacht wurde. Nach zähen Verhandlungen sagte die EU-Kommission zu, einen Vorschlag zu unterbreiten, wonach ein „belastbares und umgehungssicheres Genehmigungsverfahren“ für Fahrzeuge eingeführt werden soll, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden.

Damit scheint das apodiktische und finale Verbrenner-Aus vom Tisch zu sein, wenngleich die gefundene Kompromisslösung unter Fachleuten nicht unumstritten ist. Schon wird die Auffassung vertreten, es handele sich bei diesem Kompromiss lediglich um einen Prüfauftrag an die Kommission – Ausgang ungewiss!

Aber allein schon die Tatsache, dass es einer konfliktreichen und an politischen Unterstellungen reichen Auseinandersetzungen bedurfte, um den Einsatz synthetischer Kraftstoffe überhaupt noch eine Einsatzchance zu erhalten, zeigt, wie weit sich die politischen Meinungsträger von bis vor kurzem noch vollmundig zur Schau getragenen Prinzip der Technologieoffenheit und ihrer für die Gesamtwirtschaft und insbesondere die Beschäftigung positiven Konsequenzen entfernt haben.

Offensichtlich geht es nicht mehr darum, wissenschaftsbasierte Erkenntnisse auf ihre Praxistauglichkeit hin zu erforschen, zu erproben, zu entwickeln und damit auch beschäftigungspolitische Akzente zu setzen. Im Vordergrund steht die Umsetzung politischer Grundüberzeugungen und Parteitagsbeschlüsse – ohne Rücksicht auf den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Verteidigung technologischer Spitzenpositionen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer weltweit anerkannten Automobil- und Zulieferindustrie. Ohne Not wird eine ganze Branche zur Disposition gestellt, die mit ihren Produkten weltweit an der Spitze steht. Und dies geschieht mit dem Wissen, dass nicht der Verbrennungsmotor an sich das klimaschädliche Problem darstellt, sondern der im Verbrennungsmotor verwendete Treibstoff.

Trotz der Brüsseler Kompromisslösung geht die Stigmatisierung des Verbrennungsmotors und damit auch die synthetischer Kraftstoffe in Politik und Öffentlichkeit ungebremst weiter. Nahezu täglich erscheinen neue Berechnungen zu Wirkungsgrad und Ökobilanz von E-Fuels, um immer wieder zu dem gleichen Ergebnis zu gelangen: Der batterieelektrische Antrieb habe gegenüber dem Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Verbrennungsmotor deutliche Nachteile im Hinblick auf Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Folglich sei – so der scheinlogische Schluss – die Elektromobilität als mobile Antriebsart alternativlos.

Und einer der überraschendsten Aspekte dieser Diskussion ist, dass die deutschen Gewerkschaften nahezu einstimmig diese Auffassung teilen. War man aus der Vergangenheit daran gewohnt, dass Gewerkschaften schon bei kleinsten Strukturveränderungen lautstark mit Forderungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen zu Wort melden, scheinen sie in Bezug auf die Beschäftigungswirkung des Verbrennerverbots und damit auch des Einsatzes von E-Fuels nahezu verstummt.

In einem Grundsatzpapier zur EU-Gesetzgebung zu CO2-Flottengrenzwerten vom Mai 2022 lehnt die IG Metall die Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen innerhalb des Systems der PKW-Flottengrenzwerte ab. Zur grundsätzlichen Rolle synthetischer Kraftstoffe erklärt sie, diese könnten eine begrenzte Rolle bei den Senkung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr spielen, insbesondere durch Beimischung und bei schwer elektrifizierbaren Segmenten wie dem Luftverkehr oder bei Schwerlast- und Sonderfahrzeugen. Zur beschäftigungssichernden Wirkung der E-Fuel-Technologie – gerade auch als Übergangslösung – findet sich in der Erklärung kein Wort.

Diese Ignoranz gegenüber den beschäftigungspolitischen Chancen, die in der Nutzung von E-Fuels liegen, ist erschreckend. Dabei geht es nicht nur darum, Beschäftigungsabbau in dem vorhandenen klassischen Fertigungssegmenten des Antriebsstrangs zu verhindern. Auch die Möglichkeiten eines Beschäftigungsaufbaus in der Power-to-X-Branche (Elektrolyseure, Umwandlungsanlagen, CO2-Abscheider) werden einfach negiert.

Angesichts dieser Positionen drängt sich die Frage auf, ob die Gewerkschaften in dieser Thematik tatsächlich noch die Interessen ihrer Mitglieder in der gebotenen Form wahrnehmen und damit zum Erhalt großer Teile unserer Industrie beitragen.

Die international starke Position unserer Automobil- und Zulieferindustrie hängt nicht zuletzt auch von dem hohen Qualifikationspotential unserer Beschäftigten ab. Wenn diese sich der Unterstützung ihrer Interessenvertretung nicht mehr sicher sein können, wird dies nicht ohne Konsequenzen für die gesamte Branche bleiben.

Autor: Armin Gehl, Geschäftsführer autoregion e.V., Saarbrücken