Ein Beitrag aus OEM&Lieferant, Ausgabe I/2021 von Philipp Wibbing, Partner bei UNITY.

 

Der digitale Wandel verändert das Netzwerk der Wertschöpfung fundamental: insbesondere die Automobilindustrie steht vor maßgeblichen Veränderungen. Gegenwärtig zeichnen sich deutsche OEMs und Zulieferer noch stark durch hardwaregetriebene Produkte und Produktentwicklung sowie geschlossene Ökosysteme aus. Um sich im Business der Datenökonomie nachhaltig erfolgreich positionieren zu können, ist es dringend an der Zeit, die Datenmonetarisierung anzugehen und den Wandel zu smarten und nachhaltigen Mobilitätslösungen einzuläuten. Insbesondere Premium-OEMs haben das Potenzial von Daten als erfolgskritisches Wirtschaftsgut erkannt und sammeln getreu dem Motto „Data is the new oil“ enorme Datenmengen – darunter Produktdaten, Entwicklungsdaten, Betriebsdaten, Fahrzeughistorie uvm. Doch warum lässt der große Durchbruch datengetriebener Services weiterhin auf sich warten?

Die Relevanz neuer Zielbilder

Moderne Fahrzeuge sind unlängst mit multifunktionalen Devices ausgestattet und fungieren im Straßenverkehr als mobile Datensammler. Ein wesentlicher Unterschied von OEMs zu etablierten Plattformunternehmen besteht darin, dass diese aus ihrer Datenhoheit bereits erfolgreich datengetriebene Geschäftsmodelle abgeleitet haben und mit Anwendungen wie Apple CarPlay auf den milliardenschweren Markt drängen. Die hohe Marktkapitalisierung dieser neuen Player verdeutlicht, dass datengetriebene Services und Geschäftsmodelle zukünftig einen wesentlichen Teil automobiler Wertschöpfung ausmachen werden.

Um wirksam in den Wettbewerb zu treten und der hohen Erwartungshaltung des Marktes gerecht zu werden, müssen Automobilhersteller und -zulieferer ihr Zielbild überprüfen. Im Fokus steht die Frage: „Wie schaffen wir für unsere Kunden Mehrwerte aus unseren Daten?“. Neben den neuen Technologien und den Daten selbst erfordert das Business der Datenökonomie durchgängige Strategien und Strukturen, denn nur so kann das enorme Potenzial mit geeigneten Services und digitalen Geschäftsmodellen auch am Markt realisiert werden. Das richtige Vorgehen entscheidet dabei über den Erfolg. Mögliche Use Cases, um Mehrwert auf der Kunden-Seite zu erzeugen, können Steigerung der Sicherheit, Effizienzsteigerungen oder intelligente Verkehrssteuerung sein. Wichtig ist, die Entwicklung von Services ganz klar in einem Portfolio zu priorisieren. Was wenig Nutzen schafft und viele Ressourcen bindet, wird nicht weiterverfolgt.

Vom Data Lake zum Data Stream

Gegenwärtig ist die Datenarchitektur auf das Sammeln von Daten ausgerichtet. Um die riesigen Datenmengen, die OEMs bisher in sogenannten Data Lakes gesammelt haben, gewinnbringend einzusetzen, muss das neue Zielbild mit Blick auf offene Ökosysteme zu einem Data Stream ausgebaut werden. Dieser liefert die Daten aus den Kundenfahrzeugen im Feld, auf deren Basis die gewinnbringenden Services für die Kunden aufgebaut werden. Gleichzeitig sollten Erkenntnisse aus diesen Daten in den internen Entwicklungsabteilungen gewinnbringend eingesetzt werden, um die nächsten Fahrzeuggenerationen sowie eigene Services zu optimieren. Schritt für Schritt wird sich so das Netzwerk der Wertschöpfung fundamental ändern; die Zukunft des Automobils wird in einem globalen Ökosystem gestaltet. Da die OEMs verstärkt auf die Kompetenz der Zulieferer und der neuen Player aus dem IT-Bereich setzen werden, verändert sich auch die Rolle der Zulieferer in diesem Geflecht. Großes Potenzial steckt beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Zulieferern und anderen OEMs. Die digitalen Systeme ermöglichen es, kurzfristig an eine andere Entwicklungsabteilung anzudocken und auch herstellerübergreifend bei bestimmten Projekten zusammenzuarbeiten. So revolutioniert das Denken in offenen Systemen sowie die Integration von Partnern in das Ökosystem die Wertschöpfung, indem der größte Mehrwert sowohl für Kunden als auch für das Unternehmen geschaffen wird.

Zum Autor:

Philipp Wibbing arbeitet seit 2005 bei UNITY. Seit 2012 verantwortet er als Partner das Geschäft mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Produktentstehung in der Automobilbranche. Zudem ist er Aufsichtsrat der UNITY Beteiligungs-AG und Vorstandsmitglied im prostep ivip Verein. LinkedIn: linkedin.com/in/philippwibbing