Der Einsatz von Türmodulen mit innovativen Trägermaterialien hilft dabei, strengeren Richtlinien bei Crashtests gerecht zu werden und gleichzeitig Gewicht und Kosten zu sparen.

Ab 2023 verschärft das Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) die Kriterien für seine Seitenaufprall-Tests. Dann müssen die Fahrzeugflanken über 80 Prozent mehr Energie als bisher standhalten. Vor diesem Hintergrund nehmen die Automobilhersteller nicht nur die Bauweise ihrer Karosserien unter die Lupe, sondern prüfen auch die eingesetzten Türkonstruktionen. Obwohl der Innenbereich der Tür beim Crash nur eine untergeordnete Rolle spielt, ermöglichen dort eingesetzte Türmodule neue Ansätze im Umgang mit dem Testverfahren.

Vorgeprüfte Systeme für unkomplizierte Montageprozesse

Das Prinzip Türmodul ist in der Automobilbranche etabliert: Die wichtigsten Funktionsbauteile der Fahrzeugtür werden auf einer Trägerplatte zu einem System zusammengefasst. Bei der konventionellen Montage von Seitentüren müssen zunächst viele einzelne Komponenten auf einer Linie zur Tür zusammengebaut werden. Bei der Modulbauweise hingegen erhält der Hersteller das System als vorgeprüfte Einheit vom Zulieferer. Das Einsetzen in den Türrohbau erfolgt mit wenigen Handgriffen. Je mehr Funktionen der Tür auf dem Modul integriert sind, desto weniger Zusatzarbeiten müssen bis zur Anbringung der Seitentür an die Karosserie noch ausgeführt werden. Verschiedene Ausstattungsvarianten werden bereits beim Zulieferer realisiert und auf Wunsch Just-in-Sequence, also im Takt der Produktion des Kunden, zur Verfügung gestellt.

Türmodule beim Seitencrash

Auch mit der angepassten IIHS-Systematik bleiben die Kriterien für den seitlichen Barriereaufprall unverändert – Intrusionstiefe und Insassenbelastung. Wesentlicher Faktor für das Testergebnis ist die Strukturintegrität der Karosserie. Diese wird innerhalb der Tür maßgeblich durch die Scharniere, das Schloss, Schwellerüberdeckung und den Seitenaufprallträger beeinflusst. Der Innenbereich der Tür, in dem sich das Modul befindet, spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Daher hat die Entscheidung für oder gegen die Modulbauweise zunächst nur minimale Auswirkungen auf das Testergebnis des Fahrzeugs. Zukünftig wird es für Fahrzeuge jedoch erforderlich sein, Crash-Belastungen bei einem Seitenaufprall auf einem höheren Niveau standzuhalten. Den Ankündigungen des IIHS zufolge werden die Masse und die Eintreffgeschwindigkeit der Barriere zunehmen. Dabei verändert sich der Energieeintrag von zuvor 290 kN auf zukünftig 530 kN. Die Fahrzeughersteller müssen auf die gestiegenen Anforderungen mit Anpassungen in der Fahrzeugkarosserie reagieren. Bei dieser Aufgabe können Türmodule die OEMs unterstützen. Besonders vielversprechend sind die Möglichkeiten beim Einsatz von Trägerplatten aus endlosglaserverstärkten Thermoplasten, sogenanntem Organoblech.

Gewichtsreduktion mit funktionalen Vorteilen

Organoblech ist ein innovativer Leichtbauwerkstoff. Er besteht aus Endlos-Glasfasern, die in eine thermoplastische Kunststoffmatrix eingebettet sind. Wird das Material erwärmt, erhält es eine weiche Konsistenz und lässt sich in die gewünschte Form pressen. Durch Hinterspritzen können gleichzeitig Verstärkungen und Funktionselemente aus Kunststoff angebracht werden. Dieser Prozess lässt sich mit entsprechenden Werkzeugen taktneutral in einer konventionellen Spritzgießmaschine durchführen.

Seit 2018 fertigt Brose Türmodule aus Organoblech in Großserie. Im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoff-Türsystemen aus PP-LGF30 ergibt sich ein Gewichtsvorteil von 45 Prozent oder bis zu zwei Kilogramm pro Fahrzeug – und das bei besserem Crashverhalten. Der Träger aus endlos glasfaserverstärktem Kunststoff kann ein Vielfaches an Energie aufnehmen. Zudem sind deutlich stabilere Verbindungen zur Karosserie möglich, da Löcher während des Umformprozesses faserschonend eingearbeitet werden. Es liegt nahe, die Vorteile von Organoblech beim Umgang mit den neuen Crashanforderungen zu nutzen. Zum einen können die eingesparten Kilos das zusätzliche Gewicht durch notwendige Verstärkungen in der Karosserie zumindest teilweise ausgleichen. Zum anderen lohnt sich ein genauerer Blick auf die Möglichkeiten der Funktionsintegration, etwa von Crash-Elementen. Sogenannte Pads und Pusher könnten direkt in den Aggregateträger oder als Montageteil auf dem Türsystem integriert werden. Dabei entstehen keine neuen Montageschritte an der Herstellerlinie, da das komplette Modul mit einem Handgriff in der Tür platziert wird.

Weiterentwicklung zum Strukturmodul

Weitere Einsatzfelder ergeben sich, wenn man die Systemgrenzen der Türmodule so erweitert, dass sie auch statische Strukturaufgaben in der Tür übernehmen. Zukünftig lässt sich der Türrohbau so auslegen, dass er erst in Kombination mit diesem sogenannten Strukturmodul seine vollständige Steifigkeit erreicht. Als Folge wird es möglich sein, nicht nur den Ausschnitt im Türinnenteil deutlich zu vergrößern, sondern auch komplette Bauteile wie metallische Verstärkungen, Crashpads oder Pusher wegzulassen. Deren Funktion übernimmt dann das Strukturmodul. Neben dem zusätzlichen Gewichtsverlust von über einem Kilogramm pro Tür bringt dieses Vorgehen auch deutliche Kostenvorteile für den Hersteller, da zusätzlich zu den Bauteilen die entsprechenden Werkzeuge und Fügeprozesse entfallen.

Die erweiterten Strukturmodule wurden bei Brose bereits vollständig validiert. Der neue Ansatz ermöglicht im Vergleich zur konventionellen Bauweise Gewichtseinsparungen von bis zu acht Kilogramm je Fahrzeug. Wichtig ist: Für diesen innovativen Ansatz muss der Fahrzeughersteller den Zulieferer frühzeitig in den Entwicklungsprozess einbinden. Schließlich lassen sich die notwendigen Simulationen für die Auslegung der Karosserie nur mithilfe genauer Daten zum Strukturmodul und seiner Anbindung an die Tür durchführen. Diese Abstimmung wirkt aktuell zwar noch ungewöhnlich, doch nur so lassen sich die größtmöglichen Vorteile beim Crashverhalten und dem Gewicht erzielen – und das bei geringeren Kosten.

 

Autoren: Dr. Marcus Klopp, Leiter Vorentwicklung Türmodule Brose
Michael Thienel, Experte Türkonzepte, Vorentwicklung Türmodule Brose
Eike Ritthaler, Projektingenieur Vorentwicklung Türmodule Brose