Die Debatte um die künftige automobile Antriebsart wird in Deutschland weiterhin mit viel Leidenschaft geführt. Zwar besteht weitgehend Einigkeit dahingehend, dass der CO2-Ausstoß des Verkehrssektors sinken muss, damit substantielle Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden können. Doch der Weg dorthin – technologieoffen und vielfältig oder staatlich gelenkt und regulatorisch – ist höchst umstritten.
Mit dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ hatte die EU-Kommission zur Umsetzung des „Green Deals“ bereits im Juli 2021 ehrgeizige Ziele vorgegeben. So sollen die Netto-Treibhausgasemissionen von Personenkraftwagen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Niveau des Jahres 2021 sinken. Im Frühjahr dieses Jahres wurden die Ziele sogar nochmals drastisch verschärft: Bis 2035 sollen die CO2 äquivalenten Emissionen auf Null reduziert werden. Dies hat zur Folge, dass ab dem Zeitpunkt keine Neufahrzeuge mehr zugelassen werden dürfen, die mit einem fossilen Kraftstoff betankt werden können. Das bedeutet faktisch ein weitgehendes Aus des Verbrenners – und dies, obwohl nicht der Motor als solcher klimaschädlich ist, sondern nur die fossilen Kraftstoffe, mit denen die Motoren betrieben werden.
Ob in Europa damit tatsächlich das Ende des Kolbenmotors eingeleitet ist, wird sich zeigen. Denn auch nach 2035 haben die Automobilhersteller weiterhin die Möglichkeit, Personenkraftwagen auf den europäischen Markt zu bringen, die mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Autos dann ausschließlich mit eFuels, also mit synthetischen und CO2-neutral hergestellten Kraftstoffen betankbar sind (Fahrzeugkategorie „eFuels only“).
Was bedeutet dies nun? Dass es überhaupt zu diesem Kompromiss kam, ist zunächst ein wichtiger Verhandlungserfolg für die Bundesregierung, der den Automobilstandort Deutschland zumindest vorübergehend schützt. Die Hersteller sind nun gefordert, eine entsprechende Abschaltvorrichtung in den Neufahrzeugen zu integrieren, die dafür sorgt, dass der Motor nicht mehr anspringt, sollte das Fahrzeug mit einem fossilen Kraftstoff betankt werden. Technisch ist dies sicherlich umsetzbar.
Die Entscheidung als solche ist aber ordnungspolitisch höchst bedenklich. Denn mit dem Verbrenner-Aus hat die EU-Kommission faktisch nun alle Weichen in Richtung Elektromobilität gestellt. Die Reduzierung der Flottengrenzwerte auf null Gramm CO2 dient ganz offensichtlich dem Ziel, die Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugungen zu beschleunigen. Was der Markt aus unterschiedlichen Gründen nicht zu leisten vermag, weil etwa die Konsumenten andere Präferenzen haben oder weil batterieelektrische Fahrzeuge unter Marktbedingungen nicht wettbewerbsfähig sind, wurde einmal mehr durch staatliche Intervention erzwungen. Zudem ist es auch ökologisch fragwürdig, denn die Ökobilanz der E-Fahrzeuge ist – bezogenen auf die gesamte Wertschöpfungskette („well-to-wheel“) – bei weitem nicht klimaneutral.
Ökologisch und klimapolitisch zielführender wäre es stattdessen gewesen, wenn sich die EU-Kommission nicht auf die Neuzulassungen fokussiert hätte, sondern die Bestandsflotte an Fahrzeugen – immerhin 350 Millionen in Europa – in den Blick genommen hätte. Dies hätte unmittelbare Emissionseinsparungen mit sich gebracht. Konkret wären Vorgaben für die Substitution von fossilen Kraftstoffen durch eFuels oder höhere Quoten für deren Beimischung in fossilen Kraftstoffen ein gangbarer Weg gewesen.
Doch eFuels werden in der politischen Debatte immer vorschnell in den Hintergrund gedrängt, weil die zentralen Argumente der Kritiker nicht hinterfragt werden. Diese lauten: (1) Die Produktionskapazitäten von synthetischen Kraftstoffen reichen bei weitem nicht, um die potenzielle Nachfrage zu decken. (2) Ein Liter eFuels kostet derzeit den Endverbraucher 4,50 Euro und damit rund dreimal so viel wie der Liter Benzin. Die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen sei daher nicht wirtschaftlich. (3) Die Erzeugung von eFuels sei nicht klimaneutral und nicht effizient.
Dem sollten wir entgegenhalten: Wir müssen Kraftstoffe neu denken – ideologiefrei, faktenbasiert und visionär! Was die derzeit noch zu geringen Produktionskapazitäten von eFuels betrifft, sollte die Politik im Sinne der Technologieoffenheit und Technologievielfalt – ähnlich wie bei der Förderung des Hochlaufs der Batterietechnik und der Brennstoffzelle – die Förderkulisse anpassen und damit die eFuel-Produktion beschleunigen. Denn Technologie-Reife braucht Skalierbarkeit und Skalierung erfolgt in Stufen (Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme der Anlagen). Und zudem entlang einer Lernkurve. Mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten werden die Produktionskosten fallen, eFuels sind dann für den Endverbraucher erschwinglich. Experten gehen von einem Sinken der Herstellungskosten auf eine Spanne von 1,61 bis 1,99 Euro je Liter im Jahr 2025 und auf Werte zwischen 0,70 bis 1,33 Euro im Jahr 2050 aus. Der Benzinpreis dürfte zur Mitte des Jahrhunderts deutlich darüber liegen.
Was die Effizienz und Ökobilanz der Kraftstoffbereitstellung betrifft, so muss auch dieser Aspekt differenziert betrachtet werden. Richtig ist, dass die Herstellung von eFuels durch Power-to-Liquid-Verfahren sehr energieintensiv ist und das Energieangebot aus erneuerbaren Quellen in Deutschland dem Energiebedarf für die die Herstellung der erforderlichen Mengen an eFuels hinterherhinkt. Der Herstellungsprozess hat zudem einen geringeren Wirkungsgrad als die direkte Verwendung von elektrischem Strom in Fahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb. Dieses von Kritikern immer wieder angeführte Argument hilft aber dann nicht weiter, wenn es das Ziel sein soll, auch jene Bereiche des Verkehrssektors zu dekarbonisieren, die nicht oder nur schwer elektrifizierbar sind. Was die Ökobilanz betrifft, so fällt diese im Übrigen deutlich besser aus, wenn die Produktion von eFuels an geeigneten Standorten mit einem hohen Nutzungsgrad (capacity factor) stattfindet, etwa in Norwegen (Wasserkraft), Argentinien und Chile (Windkraft) oder Marokko (Solarenergie). Dann erfolgt diese vollkommen CO2-neutral.
Hinzu kommt die soziale Dimension: So sollte nicht unterschätzt werden, dass die globale Wertschöpfungskette zu einer diversifizierten Energieversorgung führt und unweigerlich Technologieexport mit sich bringt. Diese ermöglicht im Ergebnis den Aufbau lokaler Wertschöpfung und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen in Staaten des globalen Südens sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen in der deutschen Zulieferindustrie.
Zudem sind eFuels relativ einfach mit der bestehenden Infrastruktur zu transportieren und zu lagern (Pipelines, Raffinerien, Tankwagen, Tankstellen). Gesamtwirtschaft betrachtet würden die hohen Zusatzkosten des Technologie-Switches vom Verbrenner zum Elektroantrieb entfallen und keine weitere politisch induzierte Kapitalvernichtung stattfinden.
Das Entscheidende ist aber: e-Fuels sind die einzige Möglichkeit, die Emissionen der bestehenden 1,4 Milliarden Fahrzeuge weltweit unmittelbar zu reduzieren. Sie sind insofern eines von vielen notwendigen Elementen zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele. Und geraten damit nicht in Konflikt mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), wie dies bei einem radikalen Umstieg auf E-Mobilität zu befürchten wäre.
Sehr eindrucksvoll waren in diesem Zusammenhang die kompetenten Beiträge der Experten aus Wissenschaft und Praxis, die im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltung von autoregion e.V. und IHK Saarland im Mai im Porsche Zentrum Saarland zum Thema „e-fuels – wohin geht die Reise“ aufgetreten sind.
Lassen Sie uns deshalb weiterhin gemeinsam faktenbasiert und ideologiefrei über die Zukunft der Mobilität diskutieren und uns mit aller Kraft und viel Leidenschaft für unseren Automobilstandort Saarland stark machen! Die IHK Saarland und autoregion e. V. begleiten Sie auf diesem Weg gerne.
Autor:
Autor: Dr. Carsten Meier, Managing Director oft the Saarland Chamber of Industry and Commerce and member of the board of autoregion e. V.