Von Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer IHK Saarland.

Was auf den ersten Blick unter Klimaschutzgesichtspunkten bei manch einem Jubel auslösen mag, bereitet vielen Ökonomen, Entscheidungsträgern in der Industrie sowie Arbeitsnehmern und Konsumenten ernsthafte Sorgen. Denn neben möglicherweise daraus resultierenden Chancen für Unternehmen aus dem Bereich Green Tech wären mit der Umsetzung auch erhebliche Risiken für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in weiten Teilen unseres Industriestandortes verbunden – insbesondere dort, wo die Folgen der strukturellen Transformation bereits heute spürbar sind und sich in den kommenden Jahren noch verschärfen dürften, so auch im Saarland und in der gesamten Grande Région. Für alle Unternehmen und Konsumenten belastend sind absehbar weiter steigende CO2-Preise und damit ein höherer Druck, Energieverbräuche zu senken, erneuerbare Energieträger zu nutzen und auf emissionsärmere Produktionsverfahren umzustellen. Die Umsetzung des ambitionierten Klimapakets ist jedoch nicht zum Nulltarif zu bekommen. Im Gegenteil: Sie verursacht Kosten in Milliardenhöhe bei Unternehmen und Verbrauchern, ohne dass die Mehrkosten auch nur annähernd kompensiert werden. Der angestrebte Klima-Sozialfonds wäre selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ihm 25 Prozent der Einnahmen aus dem Emissionshandel zufließen sollen, am Bedarf gemessen völlig unterkapitalisiert. Die unzureichende Abwägung der sozialen Folgen ist daher einer der größten Kritikpunkte. Hier muss rasch nachgebessert werden, da die Akzeptanz der Maßnahmen ansonsten leiden würde und es darüber hinaus zu erheblichen sozialen Verwerfungen kommen könnte.

Nicht minder kritisch ist aus ordnungspolitischer wie auch aus automobilwirtschaftlicher Perspektive die Verletzung des Gebots der Technologieoffenheit – ein Grundsatz, für dessen Einhaltung sich die IHK-Organisation im engen Schulterschluss mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und dem Verband autoregion seit vielen Jahren stark macht. Denn die Reduzierung der Flottengrenzwerte auf null Gramm CO2, die dem Ziel dient, die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugungen zu beschleunigen, bedeutet in der Praxis faktisch auch das Ende von Verbrenner und Hybrid. Was der Markt allein aus unterschiedlichen Gründen nicht zu leisten vermag, sei es, weil die Konsumenten andere Präferenzen haben, sei es, weil batterieelektrische Fahrzeuge unter Marktbedingungen nicht wettbewerbsfähig sind, wird also wieder einmal durch staatliche Interventionen gepushed – um nicht zu sagen erzwungen. Dass gleichzeitig der Ausbau der Ladeinfrastruktur massiv gefördert wird, ist hingegen nur ein schwacher Trost.

Denn nicht der Verbrennungsmotor selbst verursacht das Klimaproblem, sondern es sind die aus fossilen Energieträgern gewonnen Kraftstoffe, deren Nutzung zur Erderwärmung beiträgt. Dagegen verursachen synthetische Kraftstoffe keine CO2-Emissionen – sofern sie mit grünem Strom hergestellt werden. Gleiches gilt übrigens auch für die Direktverbrennung von grünem Wasserstoff. Aufgabe der Politik sollte es daher sein, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass herkömmliche Verbrennungsmotoren (Kolbenmotoren) klimaneutral angetrieben werden können. Dadurch könnten allein in Deutschland 48 Millionen Benziner und Diesel (weltweit 1,5 Milliarden), die aktuell auf den Straßen unterwegs sind, relativ rasch einen ganz erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch nicht nur der bestehende Fuhrpark, sondern auch das Netz an Raffinerien und Tankstellen könnte mit den sogenannten E-Fuels weiterbetrieben werden. Wir könnten also bereits geschaffenes Vermögen weiter nutzen, statt es – zugespitzt formuliert – von heute auf morgen zu entwerten.

Warum betone ich das? Weil wir gar nicht oft genug darauf hinweisen können, dass die deutsche Autoindustrie in der Verbrennertechnik weltweit führend ist. Neben dem technologischen Vorsprung und der hohen Innovationskraft, für die die Branche steht, sichert sie einen Großteil unseres Wohlstands sowie Hunderttausende gut bezahlte Arbeitsplätze, viele davon in der Antriebs- und Motorentechnik.

Das gilt gerade auch für unser Saarland. Unsere Automobil- und Zulieferindustrie lebt zu einem erheblichen Teil vom Verbrenner; rund 20.000 Arbeitsplätze profitieren direkt oder indirekt von ihm. Die regionalwirtschaftlichen Effekte sind erheblich und die SVOLT-Ansiedlung wird – so richtig und bedeutsam sie auch ist – politisch induzierte Umsatz- und Beschäftigungsrückgänge auf dem Feld der konventionellen Antriebsart auf Jahre hinaus nicht kompensieren können – wenn überhaupt. Es ist daher ein wichtiges Signal, dass das saarländische Wirtschaftsministerium, die IHK Saarland und der Verband autoregion technologische Themen, wie die Frage der Nutzung synthetischer Kraftstoffe, die Nutzung von Wasserstoff und Wasserstofftechnologie und vieles mehr, immer wieder aufgreifen und in die Debatten einbringen. Gemeinsam sind wir der Auffassung, dass es nicht darum geht, die eine Antriebsart gegen die andere auszuspielen. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Synthetische Kraftstoffe sind neben E-Mobilität und Wasserstoff ein weiteres Vehikel auf dem Weg zur globalen CO2-Reduktion. Denn am Ende sind es immer die Verbraucher, die darüber entscheiden, welche Technologie für sie den größten Nutzen stiftet.

Damit es hier signifikante Fortschritte gibt, brauchen wir gute Rahmenbedingungen. Und zwar im besten marktwirtschaftlichen Sinne als erstes: Technologieoffenheit. Nicht Verbote, staatliche Regulatorik und verordnete Selbstbeschränkungen führen zu mehr Innovationskraft und Wachstum. Sondern mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung, mehr Gestaltungsspielräume und mehr Anreize für Investitionen – auch in Form von Förderprogramm oder einer Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Vor allem aber Commitment und das gemeinsame Werben für mehr Akzeptanz. Das gilt für Wasserstoff genauso wie für synthetische Kraftstoffe.

Außerdem braucht es endlich mehr Mut für eine ehrliche und ganzheitliche Debatte: Dazu zählt, dass der CO2Ausstoß, der bei der Batteriezellproduktion entsteht, in die CO2-Bilanz eines batterieelektrisch betriebenen Fahrzeuges einbezogen wird. Jüngste Studien haben wieder einmal gezeigt, dass für die Produktion eines Elektrofahrzeuges sechsmal so viele Rohstoffe benötigt werden wie für die Produktion eines Diesels oder Benziners – neue Abhängigkeiten von rohstoffreichen Ländern sind bereits heute vorgezeichnet. Und die EU? Sie versucht zwar mit der Ende 2020 gegründeten Rohstoffallianz den Zugang zu kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Kupfer, Nickel und Mangan zu verbessern, steht aber mit ihren Bemühungen noch ganz am Anfang. Zu einer ehrlichen Debatte zählt ferner die Frage des Aufbaus bedarfsgerechter Entsorgungskapazitäten und die Thematisierung der absehbaren Strom- und Batterielücke. Um die Sicherheit der Lieferketten und die Versorgung mit grünem Strom und Wasserstoff in Zukunft gewährleisten zu können, muss es daher deutlich mehr Investitionen in Produktionsstätten und in den bedarfsgerechten Ausbau der erneuerbaren Energiequellen sowie der Transportinfrastruktur geben.

IHK und autoregion werden sich auch weiterhin mit viel Leidenschaft und Kompetenz in die Debatten einbringen, damit unser Automotive-Standort auch morgen noch Zukunft hat.