Möglichkeit zur Beschichtung von Bestandswerkzeugen

Die Forschungsabteilung des Kunststoffinstituts in Lüdenscheid setzt neue Maßstäbe im Bereich der Entformungskraftreduzierung, bei der Verarbeitung von Polyolefinen in der Verpackungsindustrie. Die optimierte Prozessführung bei besonders niedrigen Temperaturen erlaubt nun auch die Beschichtung von bereits gefertigten Werkzeugen und optimiert die Spritzgießprozesse nachhaltig.

Das Entformungsverhalten von Kunststoffen ist insbesondere von zwei Parametern abhängig. Zum einen natürlich von der Oberflächenbeschaffenheit des Spritzgießwerkzeugs, zum anderen von dem Kunststoffmaterial, das im Werkzeug verarbeitet wird. Insgesamt wurden acht Kunststoffe aus der Familie der Polyolefine (PP / PE) für Beschichtungsentwicklung untersucht – alle in ihren Fließeigenschaften und der Additivierung unterschiedlich ausgelegt. Ziel der Untersuchung war es, für die beiden Kunststoffgruppen eine gering adhäsive Beschichtung zur Reduzierung der Entformungskräfte und Optimierung des Entformungsverhaltens zu entwickeln.

Simulation im CVD-Reaktor

Zum Projektstart wurden die physikalischen Vorgänge im CVD-Reaktor simuliert, um bei der Vielfalt der eingesetzten Beschichtungen ein schnelles und effizientes Vorgehen zu realisieren. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, bereits im Vorfeld die Beschichtungsergebnisse theoretisch zu bewerten und die Beschichtungsparameter zu optimieren.

Die optimierten Prozessparameter wurden anschließend in einer eigens entwickelten Mikro-CVD-Anlage getestet. Die in der Micro-CVD-Anlage abgeschiedenen Beschichtungen erlauben bereits in diesem frühen Stadium der Entwicklung die Bestimmung der mechanischen und thermischen Eigenschaften im kleinen Maßstab. Als außergewöhnlich können die verschiedenen getesteten Möglichkeiten des Schichtaufbaus bezeichnet werden. Die innovative Prozessführung ermöglichte es verschiedenste Materialkombinationen in unterschiedlichen Morphologien, mit variablen Strukturen auf der Werkzeugoberfläche abzuscheiden. Besonders ist die Prozessführung bei extrem niedrigen Beschichtungstemperaturen von 300 bis 500° Celsius. Ein wesentlicher, Vorteil für den Kunststoffverarbeiter schafft dabei die Tatsache, dass bei diesen niedrigen Temperaturen sogar die Beschichtung von bereits gefertigten Werkzeugen möglich ist. Somit ist auch eine nachträgliche Optimierung der Beschichtungs-Performance für ein Kunststoffprodukt möglich.

So konnten letztlich acht vielversprechende Beschichtungen abgeschieden werden. Die Tests zur Wirksamkeit erfolgten auf dem eigens entwickelten Spritzgießtribometer. Das Tribometer ermöglicht die Messung der Entformungskräfte in einem realen Spritzgießprozess in einem dafür entwickelten Spritzgießwerkzeug. Dieses Modular aufgebaute Werkzeug bietet die Möglichkeit, verschiedenste Kombinationen von Beschichtungen, Werkzeugstählen und Kunststoffen innerhalb eines Werktages zu prüfen. Mittels einer Torsionsbewegung des Formeinsatzes wird das zum Ablösen (bzw. zur „Entformung“) notwendige Drehmoment über der Zeit erfasst. Das sog. Kunststoffhaftmoment ist das entstehende Drehmoment zum Zeitpunkt des Ablösens. Die nach dem Ablösen entstehende Gleitreibung wird als Integral des Drehmomentverlaufs über der Zeit berechnet. Die Gleitreibung gibt Aufschluss über den Einfluss der Werkzeugoberfläche auf das Ablöseverhalten des untersuchten Kunststoffes.

Elastische Kunststoffe (TPU) neigen zu einem verstärkten Stick-Slipp-Effekt der durch die Gleitreibung beschrieben werden kann. Steife Kunststoffe beeinflussen die Entformung im Wesentlichen durch ihr Drehmoment zum Zeitpunkt des Ablösens von der Werkzeugoberfläche. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine genaue Analyse der Haftwirkung vom Kunststoff auf der Werkzeugoberfläche.

Im folgenden Diagramm ist das Haftverhalten eines Polyethylens (PE) auf einer Referenzoberfläche und auszugsweise vier Beschichtungen dargestellt. Die unbeschichtete und hochglanzpolierte Referenzoberfläche zeigt ein hohes Haftmoment. Die entwickelten metallorganischen Zirkoniumdioxid- (moZrO2) und Aluminiumoxidschichten (moAlOx) reduzieren das Haftmoment um
17 % bzw. 28 %. Gegenteilig verhält sich die metallorganische Chromoxidschicht (moCr2O3) mit einer Steigerung des Haftmoments um 1 %.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vergleicht man die Ergebnisse mit der Untersuchung des Haftverhaltes eines Polypropylens (PP), ist eine vergleichbare Tendenz zu erkennen. Die unbeschichtete und hochglanzpolierte Referenzoberfläche zeigt das höchste Haftmoment. Die entwickelte Zirkoniumdioxid- (moZrO2) und Aluminiumoxidschicht (moAlOx) reduzieren das Haftmoment um 54 % bzw. 50 %. Anders als beim PE zeigt auch die Chromoxidschicht (moCr2O3) eine Verringerung des Haftmoments um 29 %.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die entwickelten CVD-Schichten Zirkoniumdioxid und Aluminiumoxid weisen ein deutlich reduziertes Haftmoment der überprüften Kunststoffe auf. Auffällig ist im Vergleich der beiden Kunststoffe PE und PP das jeweilig deutlich höhere Haftmoment des PP-Materials. Diese Charakteristik konnte bei der Untersuchung der anderen PE- und PP-Kunststoffe ebenfalls nachgewiesen werden.

Als Ergebnis dieser Versuchsreihe für die Verpackungsindustrie wurde nachgewiesen, dass die metallorganischen Beschichtungen der KIMW-F die Entformungskräfte deutlich reduzieren können. Somit schafft die KIMW-F die Möglichkeit bereits bestehende Prozesse hinsichtlich der Zykluszeit zu optimieren.