Die industrielle Digitalisierung beginnt mit der Informationsgewinnung durch Smart Cockpits und KPIs und einem
umfassenden Digital Shopfloor Management. Darauf aufbauend kann analysiertes, kontextualisiertes und geteiltes
Wissen Konzepte wie den Digital Operator Support unterstützen.

Im nächsten Schritt lassen sich prädiktive Konzepte auf Basis vorausschauender Mustererkennung, wie etwa bei Predictive Maintenance, realisieren. Und schließlich kann eine weitgehende Autonomie der Produktionslandschaft, bei der eine selbständige Abstimmung der Systeme und autonome Systementscheidungen einen Großteil der Wertschöpfungs- und Transaktionsprozesse prägen, anvisiert werden. Die Spitze dieser Digitalisierungspyramide markiert den Fluchtpunkt und die Vision in der Entwicklung von Industrie 4.0.

Ihr Fundament bildet jedoch die Konnektivität, beziehungsweise die Erfassung und Bereitstellung von Daten – insbesondere die möglichst detaillierten und vielschichtigen Daten der eingesetzten Maschinen und Anlagen. Ihre Einbindung in übergeordnete Informationsnetzwerke erfordert, dass Vernetzung und Konnektivität möglichst aller Produktionselemente gegeben sind und Betriebs- und Zustandsdaten echtzeitnah erfasst, konsolidiert und für Analyseprozesse bereitgestellt werden. Wird dieses Fundament nicht geschaffen, kann eine Evolution hin zu einer hochflexiblen, effizienten und zunehmend autonomen Smart Factory nicht gelingen. Eine aktuelle Analyse von ROI-EFESO zeigt jedoch, dass die digitale Einbindung von Maschinen bei vielen Unternehmen bislang nicht konsequent und umfassend genug umgesetzt ist, um das volle Potenzial von Industrie 4.0 nutzen zu können. Die Defizite liegen dabei auf unterschiedlichen Ebenen und betreffen technologische, organisatorische und prozessuale Aspekte. Erforderlich ist deshalb eine Roadmap, die eine schrittweise Erhöhung des Reifegrades der Maschineneinbindung zum Ziel hat. Zehn
Aspekte stehen dabei besonders im Fokus.

1. Formulierung einer übergeordneten Digitalisierungsstrategie zur Vorgabe von Leitlinien für die operativen Bereiche;
2. Ableitung einer IT-/OT-Strategie mit standardisiertem Lösungsbaukasten als Gestaltungsgrundlage für die IT-/OT-Landschaft;
3. Gewährleistung eines hohen Standardisierungsgrades der existierenden IT-/OT Lösungen, sowie die Verwendung offener und Vermeidung proprietärer Plattformen;
4. Sicherstellung der durchgängigen Integrationsfähigkeit existierender Maschinen-und Anlagen;
5. Aufbau der erforderlichen IT-/OT-Kompetenzen im eigenen Unternehmen oder im Ökosystem;
6. Cross-funktionale Festlegung individualisierter Lastenhefte;
7. Professionalisierung von Testing und Abnahme;
8. Steigerung der Kompetenz im gesamten Lieferantennetzwerk, um die Umsetzung der technischen Anforderungen an IT/OT und einen angemessenen Support zuermöglichen;
9. Nutzung der auf Maschinen- und Anlagenebene gewonnen Daten zur Schaffung durchgängiger Transparenz zum Produktionsablauf;
10. Kontextualisierte Bereitstellung von Informationen, Prädiktion, Präskription und Aufbau autonomer Regelkreise.

Das Besondere an einer erfolgreichen in dustrielle Digitalisierung ist, dass sie zwingend sowohl von der Spitze als auch vom Fundament her gedacht und entwickelt werden muss. In der Praxis gerät jedoch, wenig überraschend, die Vision immer wieder stärker in den Fokus als die „Erdarbeiten“. Wer jedoch beide Perspektiven verbindet, hat deutlich größere Chancen, seine Industrie 4.0 Initiativen zum Erfolg zu führen und zu verhindern, dass ambitionierte Strategien am fehlerhaften Fundament scheitern.

Autor: Prof. Dr. Werner Bick, Senior Partner, ROI-EFESO Management Consulting AG

Video: https://www.vek-onlineservice.de/publikation/oem-2-2021/54/
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