Der gläserne Autofahrer?

Kaum ein Lebensbereich wird durch die Digitalisierung so stark verändert wie die Mobilität. Die Autobauer befinden sich mitten im Wandel von Industriekonzernen zu Tech-Konzernen. Um den Wettbewerb hin zu neuen datengetriebenen Geschäftsmodellen zu befeuern, greifen sie auf viele Daten des „Megasensors Auto“ zu.

Philipp Wibbing, Partner und Automotive-Experte der Managementberatung UNITY, erklärt, was mit den Daten geschieht und welche Rolle der Datenschutz spielt.

Herr Wibbing, was macht den Wandel der Automobilhersteller notwendig?

Die Digitale Transformation ist der Beginn eines neuen Zeitalters. Wir erleben gerade, dass die klassische Fahrzeugtechnik, die über Jahrzehnte das Kerngeschäft der Automobilhersteller ausgemacht hat, in der Mobilität der Zukunft an Bedeutung verliert. Entsprechend passen die Automobilhersteller ihr Geschäftsmodell den neuen Bedingungen an. Sie wissen um den kommerziellen Wert der Daten und treiben den Wandel ihrer Organisation voran, um das Geschäft mit datengetriebenen Geschäftsmodellen gezielt ausbauen zu können.

Welche Art Daten sind für neue Geschäftsmodelle interessant?

Von Autos wird künftig ein Digitaler Zwilling erstellt, in dem individuell sämtliche Ausstattungsmerkmale, Softwarestände und Fahrzeuginformationen erfasst werden. Durch den Digitalen Zwilling lassen sich Kompatibilitäten bei Softwareupdates ohne Werkstattbesuch klären und Pay-per-Use-Angebote werden vereinfacht.

Auf der anderen Seite stehen die Nutzerdaten, die der „Megasensor Auto“ erfasst. Über eine Internetschnittstelle lassen sich Daten bei neuen Fahrzeugen fast in Echtzeit abrufen. Diese Daten wecken natürlich auch bei Drittunternehmen Begehrlichkeiten.

Das heißt, auch andere Unternehmen haben Interesse an diesen Daten?

Das ist fast überall, wo große Mengen Daten anfallen, der Fall. So auch in der Automobilbranche. Beispielsweise Versicherungen können, sobald sie Zugriff auf die Daten haben, ihre Tarife individuell an die Fahrweise der Versicherungsnehmer anpassen. Werten sie unter anderem Bremsvorgänge, Beschleunigungen, Auslösungen der Gurtstraffer aus, sind Rückschlüsse auf das Fahrverhalten möglich. Auch Unfallhergänge lassen sich mit diesen Daten rekonstruieren.

Erhoben werden diese Daten bereits jetzt – sonst würden die Assistenzsysteme nicht funktionieren. Zudem sind sie für autonomes Fahren notwendig.

Und der Datenschutz? Welche Möglichkeiten hat der Autofahrer, wenn er nicht gläsern sein möchte?

Die Daten vieler Sensoren sind die Grundlage für autonomes Fahren und viele Systeme, die das Autofahren komfortabler machen. Der Datenschutz stellt dabei aber ausdrücklich kein Innovationshemmnis dar, sondern ist eine einzigartige Möglichkeit, durch innovative Lösungen verlorenes Vertrauen in die Fahrzeuge und die Cloud zurückzugewinnen. Offenheit, Transparenz und nachweisbar datenschutzkonforme informationelle Selbstbestimmung können die notwendige Vertrauensbasis für die bewusste selektive Datenfreigabe bilden.

Der Autofahrer entscheidet selbst, welche Daten er teilen möchte?

In Deutschland gelten insbesondere für personenbezogene Daten hohe rechtliche Standards des Gesetzgebers, die den Schutz der Daten sicherstellen sollen. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Nutzer selbst über die Bereitstellung ihrer Daten entscheiden möchten. Daher sollte der Fahrer und Halter die Datenhoheit behalten und mit einer Einzelfreigabe entscheiden, welches Unternehmen auf welche Daten zugreifen darf – optional ergänzt durch ein Anreizsystem zum Teilen der Daten. Hier sehe ich spannende neue Geschäftsmodelle aufziehen.

www.unity.de

Kontakt:
UNITY AG
Lindberghring 1
33142 Büren
www.unity.de