Die neue Bundesregierung hat einen Koalitionsvertrag vorgelegt, der leider ein klares Bekenntnis zu Technologieoffenheit und Konsumentensouveränität vermissen lässt. Zwei Grundsätze, für die wir uns in der IHK-Organisation seit vielen Jahren stark machen. Und das im engen Schulterschluss mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und aus gutem Grund. Denn eine Kernkompetenz unserer Automobil- und Zulieferindustrie liegt nach wie vor in der Verbrenner-Technologie und sie ist hierin in vielen Segmenten oftmals weltweit Technologieführer. Das schätzen auch die Kunden, denn sie wissen: Neben dem technologischen Vorsprung und der hohen Innovationskraft, für die die Branche steht, sichert sie einen Großteil unseres Wohlstands sowie deutschlandweit Hunderttausende gut bezahlte Arbeitsplätze. Diese Pole-Position wurde über Jahrzehnte hinweg hart erkämpft und immer wieder mit Innovationen und Investitionen verteidigt. Doch aktuell deutet vieles darauf hin, dass diese Position leichtfertig auf Spiel gesetzt wird. Selbst für die lange Zeit als Zukunftsenergieträger gehandelten synthetischen Kraftstoffen scheint der politische Rückenwind abzuflauen.

Bei aller Notwendigkeit, die Klimaschutzanstrengungen auf allen Ebenen weiter entschlossen fortzusetzen: Die ökologische Transformation unserer Volkswirtschaft darf nicht dazu führen, dass der industrielle Kern unseres Landes erodiert und es zu Strukturbrüchen kommt. Im Saarland können wir täglich erleben wie stark der Transformationsdruck ist. Zum einen deshalb, weil bei uns überdurchschnittlich viele Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe tätig sind. Zum anderen, weil innerhalb des verarbeitenden Gewerbes der Anteil des Automotiv-Sektors deutlich höher ist als in anderen Bundesländern. Bereits heute sehen wir uns deshalb mit den negativen Folgen für die Wertschöpfung im Automotive-Sektor auf Grund der staatlich forcierten Antriebswende konfrontiert. Ihre traditionelle Rolle als Motor für Innovation, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand wird diese Branche bei weiteren Rückschlägen nicht mehr erfüllen können. Im Gegenteil, nach Berechnungen unserer IHK werden die politisch induzierten Umsatz- und Beschäftigungsrückgänge auf dem Feld der konventionellen Antriebstechnik selbst unter Berücksichtigung der Ansiedlung des chinesischen Hightech-Unternehmens SVOLT auf Jahre hinaus nicht kompensiert werden können. Umso wichtiger ist es, dass die SVOLT-Ansiedlung ein Erfolg wird und mit Hilfe von Anpassungsqualifizierungen möglichst viele Beschäftigte tragfähige Zukunftschancen erhalten. Ein deutliches politisches Commitment auf allen Ebenen wäre gewiss hilfreich dafür und für mehr Akzeptanz vor Ort. Doch all das reicht bei weitem nicht aus.

Daraus folgt: Die Politik muss den Prozess der strukturellen Transformation noch intensiver begleiten und exzellente standortpolitische Rahmenbedingungen schaffen, damit neue Wertschöpfungszentren, etwa in der Wasserstoffwirtschaft, wo erste vielversprechende Projekte umgesetzt wurden, oder in der Kreislaufwirtschaft, entstehen können. Gerade diese Branche bietet erhebliches Potential, denn der Aufbau von Recyclingkapazitäten für ausrangierte Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen kommt in Deutschland viel zu schleppend voran. Das Saarland sollte daher beim Aufbau von Entsorgungs- und Recyclinganlagen einen Gang höher schalten. Dann könnte es auf diesem Gebiet eine Pionierrolle einnehmen. Doch dafür braucht es mehr Weitsicht, Mut und Entschlossenheit. Ich bin der Auffassung: Gerade vor dem Hintergrund der geplanten Ansiedlung von SVOLT und der wissenschaftlichen Exzellenz an unseren Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten wäre das Saarland hierfür ein prädestinierter Standort. Mehr noch: Es wäre die Grundlage für eine neue Pole-Position.

Lassen Sie uns also gemeinsam dafür eintreten, den industriellen Kern zu bewahren und zugleich das Saarland in den nächsten Jahren von einem klassischen Automobilzuliefererstandort zu einem innovativen Technologielieferanten für die zukünftige nachhaltige Mobilität zu entwickeln. Dadurch kann die regionale Wertschöpfung gestärkt und Beschäftigung langfristig gesichert werden. Regionale Transformationscluster, in denen sich IHK und Autoregion im Verbund mit weiteren strategischen Partnern engagieren, bieten das Potential, branchenübergreifende Modellprojekte zu entwickeln und Fördermittel für Information, Beratung, Vernetzung mit Wissenschaft und Forschung sowie Qualifizierung der vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten zu attrahieren. Aus alledem wird mittelfristig ein technologischer Innovations-, Wachstums und Beschäftigungsschub, der uns hilft, die Wachstumslücke gegenüber anderen Bundesländern zu verringern. Packen wir es an!

Ein Beitrag von Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer der IHK Saarland und Mitglied im Vorstand des Autoregion e.V.