Geht das in neun Monaten? 400 Schaltanlagen mit Softstarter für Elektromotoren für eines der größten Infrastrukturprojekte Ägyptens bauen und ausliefern – auch dann, wenn man erst seit zwei Jahren mit einem eigenen Schaltschrankbau auf dem Markt ist. Für AuCom Global Solutions aus Sendenhorst machbar! Einzige Voraussetzung: ein hoher Grad an Standardisierung und Automatisierung.

Von Hans-Robert Koch

Im westfälischen Sendenhorst platzt alles aus den Nähten. Nicht nur die Auftragsbücher von AuCom sind voll – auch die Fertigungshallen. Eng aneinandergereiht stehen Schaltanlagen an Schaltanlagen, nur ein paar Schritte weiter Maschinen für die Drahtkonfektionierung und Schaltschrankbearbeitung. Alles auf engstem Raum. Auf dem Europasitz des neuseeländischen Unternehmens wird inzwischen auf einer Gesamtfläche von 2.800 Quadratmetern gefertigt. Händeringend sucht der Spezialist für elektronische Antriebstechnik deshalb nach weiteren Produktions- und Lagerflächen sowie nach mehr Personal. Bereits 2022 hat das Unternehmen mit einem siebenstelligen Eurobetrag in den Bau einer neuen Halle investiert. Fortsetzung in derselben Höhe erfolgt noch in diesem Jahr mit einer weiteren Halle. Der Mittelständler ist auf Wachstumskurs. Er hat seinen Umsatz gegenüber 2021 geradezu verdoppelt und von 2020 auf 2022 das Personal sogar vervierfacht. 2023 sollen es über 100 Mitarbeiter sein.

Den Geschäftserfolg führt Thomas Zirk-Gunnemann, Geschäftsführer von AuCom Global Solutions, u. a. auf die steigende Nachfrage nach Sanftanlassern für die Energiewende zurück. „Unsere Produkte waren noch nie so relevant wie heute“, sagt der Elektro-Ingenieur. Denn mit Sanftstartern lässt sich beim Anfahren großer Industriemotoren der Energieverbrauch reduzieren und die Belastung von Antrieben, Stromnetzen und Kraftwerken verringern. Dies zeigen, so der Geschäftsführer, Anwendungen wie in Katar, wo Klimakompressoren für die Stadien der Fußball-WM 2022 mit Sanftstartern von AuCom, ausgerüstet wurden – oder ihr Einsatz bei großen Pumpstationen für Wasserspeicher wie beim größten Infrastrukturprojekt „Newdelta“ in Ägypten.

400 Anlagen für Ägypten

Ein weiterer Treiber für den Geschäftserfolg – so Zirk-Grunnemann – sei die getätigte Investition in die Automatisierung der Fertigungsprozesse sowie in die Standardisierung der Schaltschranktechnik. „Ohne diese Entwicklungsschritte hätten wir keine Chance gehabt, etwa beim Megaprojekt ‚Newdelta‘ den Zuschlag zu erhalten“, erklärt Zirk-Grunnemann. „Wir mussten die Zusicherung geben, dass wir das Gesamtprojekt mit insgesamt 400 Schaltanlagen für 70 neue Pumpstationen innerhalb von neun Monaten stemmen – und dies in Zeiten instabiler Materialflüsse und Lieferketten“, so der Geschäftsführer. Hinzu kommt der harte Wettbewerb mit lokalen, ägyptischen Schaltanlagenbauern, die mit deutlich geringeren Lohnkosten ins Rennen gehen. „Für uns war von Tag 1 an klar, dass wir hier nur mit einer automatisierten Produktion wettbewerbsfähig sein können.“ Erfahrung im Schaltanlagenbau hat das Unternehmen seit acht Jahren. Durch die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern und den Start in einen eigenen Schaltschrankbau vor zwei Jahren kennt AuCom die Prozesse sehr genau. Doch die Partner hatten die Investition in Automatisierungstechnik gescheut. Ende 2021 nimmt AuCom das Heft selbst in die Hand und investiert in ein Gesamtpaket an Automatisierungs­technik und Engineering-Software. „Wenn wir starten, starten wir richtig“, so der Firmenchef. Und die Entscheidung den Drahtkonfektionier-Vollautomaten Wire Terminal und das Bearbeitungszentrums Perforex von Rittal sowie Engineering-Software von Eplan einzusetzen, zahlt sich aus. „Schon nach einem Jahr können wir sagen, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, und dass das genau der richtige Schritt war, um wettbewerbsfähig zu sein“, erklärt Zirk-Grunnemann.

Standardmodell festgelegt

Mitentscheidend für den Erfolg von AuCom war zudem die frühzeitige, klare Definition eines Schaltschrankstandards. Nach der Entscheidung, zusätzlich zur Sanftstarter-Technik dem Markt auch das Packaging anzubieten, hat das Unternehmen festgelegt, welches Schaltschrankmodell zukünftig zum Einsatz kommen soll. Hierbei hat sich das Einzelschranksystem VX SE von Rittal mit seinen technischen Vorteilen und seinem 24-Stunden-Lieferversprechen als Favorit etabliert. „Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir einen klaren Standard definieren: Wir nutzen dabei den Rittal-Standard für unseren Standard“, so der Elektro-Ingenieur. Zum Einsatz kommt der VX SE in drei Schrankgrößen (Breiten 600, 800 und 1.200 mm Breite, in 500 bzw. 600 mm Tiefe, in xx Höhe???) und deckt damit alle Anforderungen an eine montagefreundliche und wirtschaftliche Fertigung ab. „Das ist genau das Schaltschrankmodell, das für uns am meisten Sinn macht, und mit dem wir die meisten Arbeitsschritte einsparen können.“

Einzelschrank macht’s einfacher

Für seine Schaltschränke benötigt AuCom – wie herkömmlich im Anlagenbau – keine Anreih-Optionen, da die Sanftstarter-Technik ausschließlich als Standalone-Lösung in einem Einzelschrank verbaut werden kann. Für den Ausbau kann der Antriebsspezialist zudem auf einen seitlichen Zugang zum Schrank verzichten. Auch das Auspacken und Montieren von separaten Seitenwänden sowie das Entsorgen von Verpackungsmaterial wollen die Sendenhorster einsparen. Und diese Anforderungen erfüllt der VX SE. Im Gegensatz zu Anreihschränken mit Rahmengestell und abnehmbaren Seitenwänden verfügt der Einzelschrank über einen Korpus aus einem Stück Stahlblech oder Edelstahl. Durch angeformte Seitenwände inklusive Dachblech sowie weniger Einzelkomponenten sind die Bestellung und Montage deutlich einfacher und schneller. Ein zusätzlicher Zeitgewinn ergibt sich auch dadurch, dass die Seitenwände und das Dach bereits leitend mit dem Rahmen verbunden sind und eine separate Erdung zum Rahmen entfallen kann.

„Wir haben einen Standard für uns definiert, der sich aber noch mit weiteren Optionen erweitern lässt“, erklärt Zirk-Grunnemann. „So lassen sich unsere Schränke je nach Kundenanforderungen durch beliebig viele Systemkomponenten wie Streben und Chassis mit zusätzlichen Motorschutzschaltern, Klemmen oder Schutzrelais ausstatten.“ Von Vorteil ist, dass der Anlagenbauer mit dem VX SE dabei auf das Systemzubehör der Anreihschrank-Serie VX25 zugreifen kann. Die VX-Kompatibilität im Innenausbau wird durch den Einsatz von Adapterschienen ermöglicht. Hierdurch lassen sich z.B. Chassis, Schienensysteme und Teilmontageplatten vom VX25 einfach in den VX SE einbauen. Somit ist der komplette VX SE mit VX25-Zubehör ausbaufähig.

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Kastentext

VX SE Einzelschrank:
Wenn es einfacher gehen soll

Vorteile auf einen Blick:

  • Geringer Bestell- und Montageaufwand durch angeformte Seitenwände und Dach
  • Korpus aus einem Stück gefertigt für höchste Stabilität und Verwindungssteifigkeit
  • Hohe Schutzart bis IP 66/NEMA 4 bzw. 4X
  • Gute EMV-Eigenschaften durch Schrankkonstruktion aus einem Stück
  • Engineering 1:1 von VX Anreihschrank auf VX SE Einzelschrank übertragbar
  • Gleiche Zubehörplattform wie VX Anreihschrank
  • Große Abmessungsvielfalt bis Breite 1800 mm; kann bis zu drei angereihte Schränke ersetzen
  • Tiefen von 300 mm sind ideal geeignet für Anwendungen bei geringen Platzverhältnissen, z. B. Gebäudetechnik

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Gesamtpaket stimmt

Obwohl für den Aufbau einer automatisierten Fertigung und einer Plattform für die Schaltschranktechnik alternative Marktlösungen zur Auswahl standen, hat sich AuCom entschieden, quasi den „Reset-Knopf“ zu drücken, von Null anzufangen und mit einem neuen Gesamtpaket aus Schaltschrankstandard und Automatisierungstechnik durchzustarten. „Wir haben am Ende die Entscheidung getroffen, alles aus einer Hand zu nehmen und mit den Unternehmen Rittal und Eplan eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu starten“, sagt Zirk-Grunnemann.