Von Armin Gehl, Geschäftsführer autoregion e.V., Saarbrücken

Während die Förderung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen immer mehr in den Schatten verkehrspolitischer Aktivitäten im Transformationsprozess von fossilen Antriebsarten hin zu klimaschonenden bzw. CO2-neutralen Alternativen zu geraten droht, scheint der Siegeszug des batterie-elektrischen Antriebs ungebrochen. Entgegen dem allgemeinen Trend stiegen in Deutschland die Neuzulassungen von Elektroautos in 2021 um 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und das trotz Lieferengpässen bei Elektronikbauteilen und sich daraus ergebenden Produktionsverzögerungen. Die durchaus berechtigte Euphorie über diesen Anstieg wird jedoch getrübt, wenn man das Augenmerk auf die nach wie vor nicht befriedigend gelöste Problematik der Entsorgung nicht mehr brauchbarer Batterieeinheiten lenkt. Drohen uns Berge alter, nicht mehr verwendbarer Batterien?

Die Industriegeschichte ist voll von nicht zu Ende gedachter, zunächst als innovativ und fortschrittlich gefeierter Entwicklungen, Prozesse und Produkte, deren Erfolg letztlich an der Frage einer ungeklärten Entsorgungsproblematik scheiterte. Folgende Beispiele vermögen dies zu verdeutlichen:

Sah man Mitte der 1980er Jahre die PET-Flasche noch als die umweltfreundliche und leichte Alternative zur Glasflasche an, hat sich diese Sicht zwischenzeitlich deutlich verändert. Zwar werden PET-Flaschen insbesondere in Ländern mit Mehrwegpfandsystemen fast zu 100 Prozent recycelt. Aber in Ländern der Dritten Welt, in denen die Restmüllentsorgung leichter Stoffe häufig über Flüsse erfolgt, werden abertausend Tonnen von PET-Flaschen als Plastikmüll in die Ozeane geschwemmt und zerstören oder gefährden Strände sowie Wasserqualität und Fischbestände.

Wohl prominentestes Beispiel nicht zu Ende gedachter Industrie- bzw. Energieprozesse ist die friedliche Nutzung der Kernenergie. Zwar blieb ihr zumindest in Deutschland der finale Erfolg unter dem Eindruck der Fukushima – Nuklearkatastrophe 2011 wegen des augenscheinlich nicht beherrschbaren Prozess-Risikopotentials versagt. Aber die politische Diskussion über den Ausbau der Kernenergie war über Jahre beherrscht von der niemals zufriedenstellend beantworteten Frage „Wohin mit dem Atommüll?“.

Die Problematik der Entsorgung nicht mehr im Elektro-Fahrzeug verwendbarer Antriebsbatterien ist als Massen- oder Mengenphänomen angesichts der Neuartigkeit dieser Antriebstechnologie noch nicht bedrohlich aktuell. Aber die Frage wird sich mit unabwendbarer Sicherheit in absehbarer Zukunft stellen. Auch wenn wir derzeit „nur“ über rund eine Million neu zugelassener Elektro- bzw. Hybridfahrzeuge pro Jahr in Deutschland sprechen, muss man bedenken, dass die Menge von Fahrzeugen mit Batterieeinheiten sich exponentiell vermehren wird. Als Indiz mag dafür dienen, dass sich weltweit der Bestand an Elektrofahrzeugen seit 2012 verfünfzigfacht hat. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass weder die Hersteller noch die Industrie oder die Politik mit entsprechenden – auch großindustriellen – Lösungskonzepten auf diese Entwicklung vorbereitet sind. Lautet also die alles entscheidende Erfolgsfrage: „Wohin mit dem automobilen Elektroschrott?“

Bisher wird von einer durchschnittlichen Funktionsdauer der E-Auto-Batterie von acht bis zehn Jahren ausgegangen. Dem zugrunde liegt die Annahme von circa 500 bis 1.000 Ladevorgängen, einer durchschnittlichen Reichweite von 100 Kilometer pro Ladevorgang, was dann einer Laufleistung von 50.000 bis 100.000 Kilometer entspricht. In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Herstellergarantien auf Elektroauto-Akkus. Nahezu alle Hersteller garantieren eine Lebensdauer von acht Jahren und eine Laufleistung von 160.000 bis 240.000 Kilometer. Diese Angaben dürften allerdings die Basis weiterer Effizienzgewinne im Hinblick auf Reichweite und Lebensdauer sein, da alle Hersteller intensiv an der Leistungssteigerung der Akkus forschen. Eine Lebensdauer von 15 Jahren erscheint nicht ausgeschlossen.

Spricht man von Lebensdauer der E-Auto-Batterie, ist damit in der Regel die Zeitdauer gemeint, innerhalb derer ihre Leistungsfähigkeit für einen Einsatz im Auto ausreicht. Nach circa 2000 bis 2500 Ladevorgängen haben die derzeit verwendeten Akkus immer noch einen Energieinhalt von 70 bis 80 Prozent ihrer zu Beginn ihres Lebenszyklus vorhandenen Kapazität. Das heißt, dass sie nicht zwingend zu entsorgen sind bzw. dass eine Weiterverwendung im stationären Betrieb – im sogenannten „Second Life“- sowohl ökonomisch als auch ökologisch durchaus sinnvoll sein kann. Pilotbetriebe, in denen zusammen geschaltete Alt-Akkus als stationäre Stromspeicher für Solar- oder Windenergie genutzt werden, sind interessante Ansätze. Allerdings fehlen nach wie vor systematische Geschäftsmodelle, die innerhalb einer Kreislaufwirtschaft eine ökonomisch sinnvolle Zweitverwertung von Alt-Akkus in größeren Mengen sinnvoll erscheinen lassen. Und es bestehen angesichts nicht vorhandener Standardisierungen sowohl im konstruktiven Design als auch bei den technischen Leistungsdaten – im Gegensatz zu den in Verbrennerfahrzeugen verwendeten Autobatterien- berechtigte Zweifel an der systematischen Entwicklung effizienter „Second Life“ –Systeme. Wären diese vorhanden, würde sich die Gesamtlebensdauer einer E-Auto-Batterie um circa zehn bis zwölf Jahre auf insgesamt rund 20 Jahre verlängern.

Diese Annahme sollte jedoch nicht den trügerischen Eindruck erwecken, man könne sich mit der Lösung der Entsorgungsproblematik noch Zeit lassen. Einer der wesentlichen Gründe, sich beschleunigt damit zu befassen, sind die hohen Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Rohstoffe.

Die heute gängigen Lithium-Ionen-Akkus bestehen zu einem großen Teil aus Aluminium, Stahl oder Kunststoffen und sie werden produziert unter Verwendung von Rohstoffen wie Lithium, Mangan, Kobalt, Nickel und Graphit. Insbesondere Kobalt und Lithium sind nur begrenzt verfügbar beziehungsweise schwer zu gewinnen. Experten rechnen vor allem bei Kobalt wegen seiner Bedeutung für die Herstellung elektrischer Geräte in den kommenden Jahren mit einer Angebotsverknappung wohingegen Lithium wegen seiner umweltbelastenden Auswirkungen beim Abbau in die Kritik geraten ist.

Dies lässt die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe im Recyclingprozess für die Zukunft als nahezu zwingend erscheinen. An der technischen Machbarkeit des Recyclings von E-Auto-Batterien besteht kein Zweifel. Bei der Wiedergewinnung von Kobalt und Nickel erziele man nach Aussage von Denis Stijepic vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung bereits beachtliche Ergebnisse, wohingegen bei Lithium, Graphit und Mangan noch deutliche Entwicklungspotentiale bestünden. Entscheidend seien für die Ergebnisse des Recyclingprozesses, welche Qualität und Menge man bei welchen Kosten und Umweltbedingungen erzielen könne.

Noch ist die Beschaffung der Rohstoffe auf den Weltmärkten die unter Kostengesichtspunkten günstigere Alternative gegenüber einem geregelten und analytischen Recyclingprozess. Aber auch hier wird die begrenzte Verfügbarkeit die Vorzeichen der Kostenrechnung verändern. Diese Erkenntnis treibt nahezu alle Fahrzeughersteller – vornweg VW und Tesla- bei der Entwicklung eigener Recyclingverfahren. Nach allgemeinen Schätzungen könnte der Anteil recycelten Materials bei der Herstellung von Elektro-Akkus 2050 bei rund 40 Prozent liegen. Die damit verbundenen Geschäftsaussichten rufen auch Unternehmen auf den Plan, die ihre Wurzeln nicht im traditionellen Automobilgeschäft haben.

Auf der Strecke bleiben die klassischen automobilen Zulieferunternehmen. Eine von PwC im Auftrag von CLEPA, dem europäischen Verband der Zulieferer, erstellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Verarbeitung von Batteriewerkstoffen ein fundamental unterschiedliches Know-how sowohl bei den Produkten als auch den Produktionsverfahren erfordert, das in den auf die konventionelle Verbrenner-Antriebstechnologie fokussierten Zulieferunternehmen so nicht vorhanden ist. Besonders gefährdet seien insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die derzeit rund 20 Prozent des Zuliefermarktes ausmachen würden. Alarmierend ist die Feststellung der Studie, dass entsprechende Batterieaktivitäten nicht nur nicht in denselben Unternehmen, sondern auch in anderen Regionen stattfinden würden. Dies bedeute, dass wir derzeit kurzfristig weder personell noch fachlich innerhalb der Automobilindustrie in der Lage sind, entsprechende Batterie-Entsorgungs-Kapazitäten zu schaffen. Solche Nachrichten sollten in den Ohren der Verantwortlichen in Industrie und Politik nachhallen und bei der Gestaltung struktureller Rahmenbedingungen dringend Beachtung finden.

Noch behaupten deutsche Hersteller wie Daimler, BMW und VW neben Tesla auch in der Elektromobilität ihre Stellung als globale Innovationstreiber, wenn es um Fragen der Produktgestaltung geht. Aber das Beispiel der Kernenergie zeigt, dass der langfristige und nachhaltige Erfolg nur denjenigen beschieden sein wird, die ihre Innovationskraft über die gesamte Wertschöpfungskette unter Beweis stellen können. Und dazu gehört bei der E-Mobilität zwingend auch die Entsorgung von Alt-Batterien.