Was für ein Jahr! Ungewöhnlich war es auf jeden Fall, in vielen Bereichen sogar verrückt oder disruptiv: Die globale Corona-Pandemie hat nahezu alles torpediert, was wir bisher als selbstverständlich angesehen haben. Sie hat insbesondere unser Zusammenleben, unsere Freiheit und zahlreiche unternehmerische Tätigkeiten erheblich belastet. Ökonomisch ging in Deutschland mit der tiefen Rezession 2020 eine zuvor zehnjährige Wachstumsphase zu Ende. Spätestens mit dem Einsetzen der zweiten Infektionswelle im Herbst hatten die Pessimisten leider endgültig die Oberhand gewonnen. All dies versprach nichts Gutes, denn eigentlich ist „Optimismus Pflicht“, wie bereits Karl Popper festgestellt hat.

Doch zum Ende des Jahres waren die guten Nachrichten endlich da – und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Der erste Corona-Impfstoff wurde in Europa zugelassen. Mit steigenden Impfquoten dürfte es in absehbarer Zeit gelingen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Deshalb kann dieser Erfolg gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Angesichts dieses Lichtblicks trat das in letzter Minute ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien fast in den Hintergrund. Für die exportorientierte Saarwirtschaft ist der Vertrag allerdings ein wichtiger Meilenstein, um die mit Großbritannien bestehenden Lieferketten und Wertschöpfungsnetzwerke ohne substantielle Mehrkosten aufrechterhalten zu können.

Und schließlich der neue US-Präsident Joe Biden: Mit ihm besteht die Hoffnung, dass die USA wieder auf den Kurs einer regelbasierten Handelspolitik einschwenken und sich die transatlantischen Handelsbeziehungen rasch normalisieren. Eine Aufhebung der Strafzölle auf EU-Importe würde vertrauensstiftend wirken und könnte der exportorientierten Saarwirtschaft mittelfristig Schub verleihen.

Und auch im Saarland endete das Jahr verheißungsvoll. Denn der Strukturwandel im Saarland hat nun seinen potentiellen Game Changer: SVOLT Technology. Die Ansiedlung des chinesischen Hightech-Unternehmens ist für viele wie ein Sechser im Lotto. Denn SVOLT wird bis zu zwei Milliarden Euro an zwei Standorten investieren: In Heusweiler, im ehemaligen „Laminate Park“, wird eine Modul- und Pack-Fabrik entstehen. Auf dem Linslerfeld in Überherrn soll eine hochmoderne Zellfabrik mit 24 GWh Produktionskapazität für kobaltfreie Batterien gebaut werden. Damit können bis zu 500.000 Elektroautos ausgerüstet werden, deren Reichweite und Langlebigkeit alles bisher Gekannte übersteigen wird. Insgesamt sollen in der Endausbaustufe 2.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies wäre ein Segen für das Autoland Saarland, das zuletzt zahlreiche herbe Dämpfer zu verkraften hatte, auch wenn noch nicht alle Details geklärt sind und wie bei Großprojekten üblich mit Widerständen zu rechnen ist.

Mit SVOLT hat das Saarland nun die reelle Chance, in die erste Liga der Elektromobilität aufzusteigen. Wer hätte das vor wenigen Monaten für möglich gehalten? Jetzt aber können signifikante Kompetenzen und Kapazitäten in der batterieelektrischen Mobilität aufgebaut werden. Damit würde die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor weiter reduziert. Das Saarland gewinnt also neben seiner langjährigen Kompetenz rund um den Verbrennungsmotor und der im Aufbau befindlichen Wasserstofftechnologie eine Option hinzu. Dies ist die Grundlage dafür, dass das Saarland auf den Zukunftsfeldern der Mobilität nicht den Anschluss verliert und das Automobil weiterhin einer der zentralen Pfeiler des Industriestandorts bleiben kann.

Doch die größte Bedeutung dieses Ansiedlungserfolgs liegt in der neuen Zukunftsperspektive für unser Land. SVOLT bietet das Potenzial für einen Turnaround des Industriestandorts Saarland mit Strahlkraft weit über unser Bundesland hinaus. Diese Leitinvestition wird weitere Ansiedlungen nach sich ziehen. Aus dieser Keimzelle können in der Großregion neue Wertschöpfungszentren und zahlreiche weitere Arbeitsplätze auch in anderen Branchen entstehen. Alleine schon im laufenden Jahrzehnt dürften sich die regionalwirtschaftlichen Effekte insgesamt auf eine Größenordnung von fünf bis sieben Milliarden Euro belaufen, wie unsere Berechnungen ergeben haben. All das wird helfen, die Wachstumslücke gegenüber dem Bund ein Stück weit zu schließen.

Der Ansiedlungserfolg von SVOLT zeigt also, dass Strukturwandel auch innerhalb der Industrie gelingen kann. Dies ist ein guter Anfang, aber das allein wird nicht reichen. Eine Schwalbe macht eben noch keinen Sommer. Weil gute Standortbedingungen wichtig für unternehmerische Investitionsentscheidungen sind, muss das Saarland künftig deutlich stärker als bisher mit eigenen mutigen Schritten spürbare Verbesserungen bei der Standortattraktivität schaffen. Die Landesregierung sollte zügig das im Koalitionsvertrag angekündigte Standortsicherungskonzept vorlegen. Unverzichtbar ist ferner ein klarer Fahrplan für das von ihr proklamierte „Jahrzehnt der Investitionen“ mit belastbaren Antworten darauf, welche Infrastrukturinvestitionen in den nächsten Jahren wann, wo und in welchem Umfang getätigt werden sollen. Mindestens genauso nötig sind Antworten auf die Frage, wie der Industriestandort Saarland wettbewerbsfähiger wird. Hier ist einiges zu tun, denn die Standortkosten sind zum Teil deutlich höher als anderswo. Die Stichworte hierzu lauten unter anderem Gewerbe- und Grunderwerbsteuer. Unternehmerische Investitionen müssen sich im Saarland mindestens so gut rentieren wie in anderen Regionen. Die IHK wird weiter dafür werben.

Im Bund wird die neue Bundesregierung eine Strategie brauchen, die den Unternehmen hilft, aus der Krise herauszuwachsen. Kluge Signale wären hier die Senkung der Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau sowie eine Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung aus dem Corona-Jahr mit Gewinnen der Vorjahre. Mindestens ebenso wichtig wäre es aber auch, die Grundlage zu schaffen, auf der Innovationen der Zukunft entstehen können. Mehr Tempo bei der Umsetzung der digitalen Agenda und eine echte Offenheit für neue Technologien (Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe) anstelle einer einseitigen Fokussierung auf den batteriegetriebenen Elektroantrieb sollten aus Sicht der IHK Richtschnur des Handels sein. Dies würde auch den Druck von der Zulieferindustrie nehmen, die noch zu rund 80 Prozent vom Verbrennungsmotor abhängt.

Die Corona-Krise hat allen ökonomischen Verwerfungen zum Trotz ein Gutes: Sie ist Treiber und Innovationsbeschleuniger. Sie fordert von uns, uns nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen, sondern alte Pfade zu verlassen und neue innovative Wege zu beschreiten. Bei der digitalen Transformation und neuen Arbeitsformen hat dies bereits gut funktioniert. Wenn Politik und Unternehmen dies auch auf anderen Feldern als Call-to-Action beherzigen, bestehen für die Wirtschaft insgesamt in 2021 gute Aufholchancen! Packen wir es gemeinsam an. Mit Mut, Tatkraft und viel Optimismus! IHK und autoregion unterstützen Sie auch weiterhin mit viel Leidenschaft und Engagement.