Die Herstellervereinigung ACEA sprach kürzlich davon, dass der europäische Automarkt wieder an Fahrt gewinnt und die Zahl der PKW-Neuzulassungen zugenommen hat. Ist diese Entwicklung schon in der Stahlbranche angekommen? 

Schiestel: Wir haben diese Entwicklung freudig registriert, sind vorsichtig optimistisch. Die Zahlen, die dahinterstehen, müssen allerdings differenziert betrachtet werden: 2019 gab es noch 13 Millionen PKW-Neuzulassungen in der Europäischen Union, 2022 waren es neun Millionen.

Ein aktueller Aufwärtstrend ist zwar zu beobachten, aber wir sind von den Ursprungswerten noch weit entfernt. Hinzu kommt: Die Stahlkunden sind verunsichert, ob dieser Aufwärtstrend anhält. Sie haben den Russland-Ukraine-Krieg sowie die aktuelle Inflation, die zu gedämpftem Konsumverhalten der Verbraucher führt, im Hinterkopf.

Wie bewerten Sie den Marktbereich E-Autos? Sind sie Fluch oder Segen für die Stahlhersteller?

Schiestel: Ohne Stahl gibt es keine Elektromobilität. Langstahl wird dort nach wie vor gebraucht, auch wenn im E-Mobil etliche Komponenten – insbesondere in den Bereichen Motor und Getriebe – wegfallen.

Das hohe Gewicht der Antriebsbatterie erzeugt hingegen zusätzliche Belastungen, wirtschaftliche Leichtbaulösungen sind hier gefragt. Stahl ist nach wie vor der erfolgreichste Leichtbauwerkstoff der Automobilbranche. Hinzu kommt, dass wir mit unseren Premiumprodukten starke Partner auf dem Markt sind und uns als Vertrieb den Herausforderungen der E-Mobilität ohne Scheu stellen können. Dennoch behalten wir gleichermaßen auch die Entwicklung unserer Non-Automotive-Segmente im Blick.

 Für die Automobil- und Mobilitätsbranche wird grün produzierter Stahl  immer wichtiger, damit sie ihren CO2-Fußabdruck in der  Wertschöpfungskette reduzieren können. Wie ist Saarstahl auf die Nachfrage nach grünem Stahl vorbereitet?

Schiestel: Die saarländische Stahlindustrie hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Ende 2022 haben wir einen 3,5 Milliarden Euro schweren Plan, der unter dem Vorbehalt öffentlicher Fördermittel steht, vorgelegt, um auf eine zukunftsorientierte Stahlproduktion mit Wasserstoff (statt Kohle und Koks) umzusteigen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Erreichung der 55 Prozent CO2-Einsparungen bis 2030 und kompletten Neutralität bis spätestens 2045. Durch die Übernahme der beiden französischen Werke Saarstahl Rail und Saarstahl Ascoval ist es gelungen, neue Märkte zu erschließen. Saarstahl Ascoval produziert bereits in einem Elektrolichtbogen-Ofen klimafreundlichen Stahl, Saarstahl Rail Qualitätsschienen, mit CO2-reduziertem Stahl von Saarstahl Ascoval. Als Hersteller von grünen Schienen hat der Saarstahl-Konzern dabei ein Alleinstellungsmerkmal in Europa.

Die jüngste Bewertung unseres Nachhaltigkeitsmanagements durch EcoVadis mit der Platin-Medaille weist Saarstahl unter den besten ein Prozent aller Unternehmen unserer Branche aus und bestätigt, dass wir unsere Strategie in Punkto Nachhaltigkeit entschlossen umsetzen.