Gegenstand sogenannter Battery Abuse- oder Missbrauchstests ist, Lithium-Ionen-Akkus Situationen und Einflüssen auszusetzen, die bewusst außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs liegen. Für diese zerstörenden Batterieprüfungen braucht es spezielle Testumgebungen. Weiss Technik arbeitet derzeit an einem darauf ausgerichteten Testsystem. 

Große Bandbreite an Batterieprüfungen

Batterietests werden auf Zell-, Modul-, Pack- oder Fahrzeugebene durchgeführt. Grundsätzlich kann bei der Batterieprüfung zwischen Performance- und Alterungstests, Umweltsimulationstests sowie Sicherheitstests unterschieden werden. Bei den Performance Tests wird die Leistungsfähigkeit, Ruhespannung oder entnehmbare Energie einer Batterie geprüft. Alterungstests zielen darauf ab, die Abnahme der Kapazität über den Nutzungszeitraum zu bewerten – wobei im Wesentlichen zwischen zyklischer und kalendarischer Alterung unterschieden wird. Zu den Umweltsimulationstests gehören verschiedene thermische Tests (zum Beispiel Übertemperatur, Temperaturschock und Feuchtevariation), der Einfluss von Strahlung oder Schadgas sowie die Vibrations- und Höhensimulation. Bei den zerstörenden Sicherheitsprüfungen, auch Missbrauchstests (Battery Abuse Tests) genannt, wird die Batterie Bedingungen außerhalb des Spezifikationsbereichs ausgesetzt.

Eine Lithium-Ionen-Batterie wird in der Regel im Bereich bis zu 100 Grad Celsius sicher betrieben, ohne dass es zu nachhaltigen Auswirkungen kommt. Erhöht sich das Temperaturlevel darüber hinaus, beginnen im Inneren der Batterie entsprechende Zersetzungsreaktionen. Ab einer Temperatur oberhalb von 100 Grad Celsius kommt es zunächst zur Zersetzung der sogenannten Feststoff-Elektrolyt-Grenzphase (SEI – Solid Electrolyte Interphase) und wenig später zur allmählichen Auflösung des Seperatormaterials zwischen Anode und Kathode.

In Abhängigkeit der Zellzusammensetzung einer Batterie entstehen ab einem Temperaturbereich von 160 bis 200 Grad Celsius exotherme Reaktionen. Dieses Temperaturlevel ist zugleich charakteristisch für den Beginn des thermischen Durchgehens (engl. thermal runaway) der Batterie. Das Erreichen dieses Zustands hängt bei Lithium-Ionen-Batterien in erster Linie von der Art des Zellversagens (Missbrauchsbedingung) sowie der Zellzusammensetzung ab, da hierdurch die Temperaturanstiegsgeschwindigkeit innerhalb der Batteriezelle maßgeblich beeinflusst wird. Bei einem Temperaturanstieg von 10 K/s geht man von einem thermischen Durchgehen aus. Wenn dieser Zustand erreicht ist, kann eine unkontrollierbare Wärmefreisetzung nicht mehr unterbunden werden, das heißt die entstehende Wärme kann nicht mehr in ausreichendem Maß abgeführt werden.

Die anfallende Wärmeenergie führt dazu, dass die exothermen Reaktionen weiterhin beschleunigt werden. Aufgrund des Temperaturanstiegs in der Batterie bildet sich ein hoher Druck aus, der ab einem gewissen Druckniveau zu einem Bersten der Batterie führt. In diesem Zustand strömt heißes Gas (Venting Gas) aus der Batterie und wird durch die hohe Zelltemperatur entweder direkt gezündet oder kurze Zeit später, wenn die Mindestzündenergie vorhanden ist, nachgezündet. Gasmengen bis zu 3 l/Ah können freigesetzt werden, je nach Trigger und Zellchemie.

Da bei den Zersetzungsreaktionen ein Reaktionsprodukt unter anderem Sauerstoff ist, wird der Verbrennungsvorgang aufrechterhalten. Es lassen sich daher lediglich die Auswirkungen des Brands eindämmen. Eine vollständige Löschung des Brands ist nicht möglich. In Tabelle 1 sind die aktuell gängigsten Teststandards für die relevanten Belastungsarten aufgeführt: Mechanische, elektrische und thermische Umwelt- und Missbrauchsbedingungen. Es wird dabei unterschieden zwischen Tests auf Zellebene, Modulen, Packs und gesamten Systemen mit Batteriemanagementsystem.

Tertiärer Explosionsschutz bei Lithium-Ionen-Prüfschränken

Zur Ermittlung eines adäquaten Testsystems ist es entscheidend, welche Art von Tests durchgeführt und welche Auswirkungen durch den Batterieprüfling beim Test zu erwarten sind. Daraus leitet sich das Gefährdungspotenzial ab, welches von geringer Gefahr bis hin zur Explosion und Freisetzung von Schadgasen variiert. Hierzu hat sich die Gefahrenbetrachtung gemäß den EUCAR Hazard Level bewährt. Die einzelnen Level beschreiben den Fehlerfall einer Batterie, beginnend bei Level 0 (kein Fehler) und endend bei Level 7 (Explosion) – sie dienen zur Auslegung des Batterieprüfsystems einschließlich der erforderlichen Sicherheitsausstattung.

Wichtig ist hierbei auch die Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadensfalls. Die zusätzlichen Ausstattungsmerkmale dienen zwar zur Schadensbegrenzung, allerdings stellen diese keine bautechnischen Maßnahmen dar, die eine wiederholte Prüfung von Lithium-Ionen-Batterien mit einem thermischen Durchgehen (Brand und Explosion) ermöglichen.

Bei den Lithium-Ionen-Prüfschränken wird üblicherweise der primäre Explosionsschutz angewendet, welcher das Ziel hat, die Bildung einer gefährlichen, explosionsfähigen Atmosphäre zu verhindern. Sofern trotz der Maßnahme eine Havarie entsteht, können ernsthafte Schäden am Gerät nicht ausgeschlossen werden. Der sekundäre Explosionsschutz hingegen verhindert die Zündung einer gefährlichen, explosionsfähigen Atmosphäre und wird im Batteriebereich üblicherweise nicht angewendet. Das neue Testsystem von Weiss Technik besitzt einen tertiären Explosionsschutz und ist dadurch in der Lage, regelmäßig auftretende Havariefälle ohne Schaden zu überstehen. Das Ziel ist, die Auswirkungen der Explosion auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren.

In der Regel führen alle zerstörenden Batterietests mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum thermischen Durchgehen und weisen somit ein hohes Gefahrenpotenzial auf. Dies betrifft in der Regel bei den mechanischen Tests die mechanische Integritätsprüfung und Nagelpenetration. Bei den thermischen Tests trifft dies üblicherweise auf den Übertemperaturversuch und bei den elektrischen Tests auf den Überlade- sowie Kurzschlussversuch zu.

Daneben kommen zerstörende Batterieprüfungen häufig im frühen Entwicklungsstadium oder zu Forschungszwecken zum Einsatz, beispielsweise wenn untersucht wird, wie sich das Feuer einer Batteriezelle in Modulen auf umgebende Zellen ausbreitet (Sicherheitsszenarien).

In einigen Fällen führt ein Test nicht unmittelbar zum thermischen Durchgehen, birgt jedoch ein Gefahrenpotenzial durch weitere Ausgasung oder Brand, so dass der Prüfling „entschärft“ werden muss. Hierzu ist ebenfalls eine Umgebung notwendig, die es erlaubt, den Prüfling kontrolliert beziehungsweise sicher thermisch durchgehen zu lassen, damit dieser anschließend entsorgt werden kann und keine weiteren Gefahren für Personen und Gegenstände vorliegen.

Neues Batterieprüfsystem für zerstörende Prüfung

Verwendung und Hintergrund

Als Anwendungsfeld für das Testsystem steht aktuell die zerstörende Prüfung von Batterien im Fokus. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Prüfung von elektronischen Bauteilen im Hochvoltbereich (Lichtbogenprüfung). Weitere Anwendungsfelder für das Prüfsystem, in denen hohe Drücke (zum Beispiel Ventile) oder explosive Gasgemische auftreten (Brennstoffzellen), sind grundsätzlich denkbar.

Aufbau und Konstruktion

Die Prüfumgebung besitzt einen tertiären Explosionsschutz. Dies bedeutet, dass es in der Lage ist, regelmäßig auftretende Havarien von Batterien (Feuer und Gasexplosionen) ohne Schaden zu überstehen. Das Ziel ist es, beim tertiären Ex-Schutz die Auswirkungen einer Explosion oder Havarie (Druck- und Wärmefreisetzung) auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren.

Tests und Validierung

Als die kritischste explosionsfähige Atmosphäre wird für die Versuche ein maximal zündfähiges Gasgemisch eingesetzt. Dieses Gemisch wird erst gekühlt und anschließend gezündet.

Wichtig ist, dass sich das Gas bei der Versuchsdurchführung im Prüfraum nicht verflüchtigt und die gewünschte Konzentration erzielt werden kann. Das Gasgemisch wird durch Massenströmungsregler für Druckluft hergestellt und über eine Schlauchleitung in den Prüfraum eingeleitet. Über eine Entnahmestelle in der Ausleitung kann die Gaszusammensetzung überwacht werden.

Durch ferngesteuerte Pneumatikventile lässt sich die Einleitung von Gasgemisch (Ventil 1) und die Ausleitung von Gasgemisch (Ventil 2) steuern. Weiterhin werden die Pneumatikventile vor Zündung geschlossen, um eine Ausbreitung der Explosion durch die gasgefüllten Schlauchleitungen zu verhindern. Die Kontrolle der Gastemperatur im Inneren erfolgt mit Hilfe eines eingebrachten Thermoelementes (TE 1). Gleichzeitig wird auch die Temperatur auf der Außenseite einer Explosionsklappe gemessen (TE 2). Der Explosionsdruck wird in der Nähe der Explosionsklappe (pex 1) und an der unteren hinteren Ecke des Prüfraums (pex 2) gemessen. Als Zündquelle wird eine Zündpille (Zündenergie circa 100 Joule) in das Innere des Prüfraums vor Spülbeginn eingefügt.

Zur Bewertung der Funktion der Explosionsklappen wird eine Hochgeschwindigkeitskamera (HGK) eingesetzt. Die Sensorik nimmt die jeweiligen Messwerte auf, die dann mit den dazugehörigen Auswertegeräten ausgewertet und gespeichert werden. Alle Versuche wurden mehrmals durchgeführt. Die Versuchsergebnisse besitzen eine gewisse Varianz, die sich durch Unterschiede in der Gastemperatur sowie die Anordnung und Position der Zündpille erklären lässt.

Die Versuche fanden in zwei Bereichen statt: Zum einen gab es Tests unter verschärften Bedingungen, bei denen durch Kaskadeneffekte höhere Drücke im Prüfraum entstanden. Zum anderen wurden Versuche gemacht, bei denen reale Explosionsbedingungen abgebildet wurden. Neben dem intern entwickelten Composite-Klappenmaterial wurde auch Stahl als preiswerteres Material getestet.

Ausblick

Ziel der Entwicklung ist es, den Prototypen des Testsystems durch weitere Beta-Tests zur Serienreife zu bringen. Dazu gehört unter anderem auch die Integration von weiterem Test-Equipment für die zerstörende Batterieprüfung und weitere Zusatzoptionen wie Gas-Sensorik und die Integration einer Hochgeschwindigkeitskamera. Künftig forciert Weiss Technik zudem die Entwicklung eines Abgassystems, welches eine an den Prüfraum angebundene Peripherie darstellt.

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