Von Dr. Carsten Meier, IHK Saarbrücken

….Zuversicht und entschlossenes Handeln sind die Grundlagen für erfolgreiches Unternehmertum. Doch auch Rückschläge gehören zum Business dazu. Entscheidend ist, dass wir uns davon nicht entmutigen lassen, sondern aus ihnen lernen und die richtigen Schlüsse ziehen – in der Wirtschaft wie in der Politik. Denn nur so sind wir für die nächste Herausforderung gewappnet. Dies gilt umso mehr für die Folgen der Corona-Pandemie, insbesondere für die schweren ökonomischen Verwerfungen, die diese Jahrhundertkrise verursacht hat und deren Folgen wir noch auf Jahre hinaus bewältigen müssen.

Nie zuvor hat die Großregion in Friedenszeiten einem solchen Ausnahmezustand erlebt wie in diesem Frühjahr. Ausgangsbeschränkungen, Social Distancing, Betriebs-, Kita- und Schulschließungen, geschlossene Grenzen und etliches mehr. Vieles von dem war unerlässlich, um die Pandemie erfolgreich einzudämmen. Manches war überzogen und hat bei unseren Nachbarn in Frankreich und Luxemburg sowie in Wirtschaft und Gesellschaft im Saarland und in Rheinland-Pfalz – milde gesagt – „Kopfschütteln“ ausgelöst. Zwar hat das politische Krisen-Management insgesamt gut funktioniert, doch von der Normalität sind wir trotz zahlreicher Lockerungen noch weit entfernt.

So hat der wochenlange Shutdown im Frühjahr zu einem beispiellosen Einbruch der Konjunktur in der Großregion geführt. Selbst in der Finanzkrise war die Stimmung in der Wirtschaft nicht so stark gesunken wie zu Beginn des zweiten Quartals. Viele Unternehmen litten unter weniger Nachfrage, stornierten Aufträgen, fehlenden Waren oder Zulieferprodukten, logistischen Engpässen und fehlenden Mitarbeitern – bei weiterhin laufenden Kosten. All das hat die finanzielle Situation der Betriebe erheblich belastet.

Als IHK haben wir uns daher frühzeitig dafür eingesetzt, dass die unternehmerische Substanz durch liquiditätssteigernde Maßnahmen des Landes und des Bundes wie etwa durch Soforthilfen in Form von Zuschüssen, Steuerstundungen, verbesserte Abschreibungsbedingungen und eine Ausweitung des Verlustrücktrags gesichert wird. Und wir haben für die Gründung eines landeseigenen Beteiligungsfonds ebenso geworben wie für eine belastbare Strategie für einen Ausstieg aus dem Shutdown. Denn die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.

Am aktuellen Rand verdichten sich nun die Anzeichen, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Großregion nach dem coronabedingten Angebots- und Nachfrageschock stabilisiert. Die Lockerungen der Corona-Beschränkungen, die Grenzöffnungen sowie das Konjunkturpaket, mit dem die Bundesregierung über Konsum- und Investitionsanreize die Binnenkräfte ankurbeln will und zugleich starke Impulse für eine wirtschaftspolitische und industrielle Neuausrichtung setzt, haben für ein erstes Aufatmen gesorgt. Doch die Verunsicherung über die weitere Entwicklung ist hoch. Die Investitionsneigung und das Konsumklima haben sich inzwischen zwar etwas aufgehellt, sie liegen aber noch immer weit unter dem langjährigen Durchschnitt.

Mit einem v-förmigen Verlauf – tiefer Einbruch im Frühjahr, steiler Aufstieg im Herbst – ist daher nicht zu rechnen. Was wir derzeit stattdessen erleben, ist eine Phase der Bodenbildung. Wie lange diese andauern wird und wann daraus ein tragfähiger Aufschwung erwächst, hängt von vielen Facetten ab.

Was bedeutet das für das Wachstum in diesem Jahr? Anders als andere Teilregionen unserer Grande Région ist das Saarland bereits mit einer schweren Hypothek in die Corona-Krise geraten. Unter anderem deshalb, weil sich mit dem Fahrzeugbau und der Stahlindustrie gleich zwei der drei Schlüsselbranchen mitten in einem epochalen Strukturwandel befinden, der durch das Zusammenspiel von abnehmender Marktdynamik und steigendem globalen Wettbewerbsdruck einerseits sowie zunehmender politischer Regulatorik (Klimaschutzauflagen) und neuen Technologien anderseits getrieben wird.

Darüber hinaus bleibt die Saarwirtschaft schon seit Jahren unter ihren Möglichkeiten. So lag das Niveau an wirtschaftlicher Leistung 2019 – also 10 Jahre nach der Weltfinanzkrise – noch immer unter dem Vorkrisenwert von 2008. Hauptgrund dafür ist – neben der Demographie –, dass vom einstigen Wachstumstreiber Export auf Grund protektionistischer Handelspolitiken und schwächelnder Nachfrage auf wichtigen Zielmärkten wie Italien oder Spanien nach Produkten „made in Saarland“ kein Rückenwind mehr kommt. Infolge der Corona-Pandemie hat die Wirtschaft weltweit nun einen weiteren schweren Schlag erlitten. Der EU-Wiederaufbaufonds ist daher gut angelegtes Geld. Ein rascher Nachfrageschub nach Investitionsgütern und langlebigen Konsumgütern, die in der Großregion produziert werden, ist aber in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten. Für das Saarland kommt erschwerend hinzu, dass weder der private Konsum noch die öffentlichen Investitionen die Rolle als Wachstumstreiber übernehmen können. Insofern ist zu befürchten, dass im Saarland aufs ganze Jahr gerechnet die Wirtschaft um rund 15 Prozent einbrechen wird – die Entwicklung der Umsätze in der Industrie (kumuliert minus 25 Prozent in den ersten fünf Monaten gegenüber dem Vorjahr), der Auftragseingänge (minus 26 Prozent) und der Ausfuhren (minus 24 Prozent) liefern bereits ein starkes Indiz hierfür. Besonders in den Schlüsselbrachen der Saarwirtschaft – in der Stahlindustrie, im Fahrzeugbau und im Maschinenbau – sowie bei den Gießereien liegen die Werte im tiefroten Bereich. Die Produktionskapazitäten sind insbesondere im Automotive-Bereich mit seinen 200.000 Beschäftigten in der Großregion deutlich unterausgelastet. Der Anteil an Kurzarbeit ist weiterhin hoch, der Kostendruck enorm.

Auf Grund des hohen Verflechtungsgrades dieser Schlüsselindustrie und der beachtlichen regionalwirtschaftlichen Effekte, die von dieser Branche ausgehen, dürfte der weitere Erholungsprozess in der Großregion deshalb nur schleppend erfolgen, zumal auch für Luxemburg (minus 12 Prozent) und Frankreich (minus 11 Prozent) herbe Einbrüche der Wirtschaftsleistung prognostiziert werden – und dies ungeachtet der Förderung der französischen Automobilindustrie in Höhe von acht Milliarden Euro. Wohlstandsverluste sind folglich unausweichlich, die Arbeitslosigkeit liegt in allen Teilregionen bereits jetzt deutlich über den Vorjahreswerten.

Was folgt aus alledem? Die Corona-Krise ist Belastung und Chance zugleich – ökonomisch wie gesellschaftlich. Sie wird den Strukturwandel in der Großregion und die digitale Transformation beschleunigen, die Arbeitswelt umkrempeln und bei vielen von uns zu einer Neujustierung des Wertesystems führen. Kurzum: Sie wird zu einem Treiber von Veränderung in einer nie dagewesenen Dynamik, Tiefe und Breite. Viele Unternehmen werden sich gänzlich neu erfinden müssen.

In dieser Situation bieten starke Netzwerke viele Mehrwerte – auch über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg. Wie erfolgreich die Netzwerkarbeit sein kann, zeigt die Arbeit von autoregion international. Seit über fünf Jahren setzt der Verein gezielt auf Kooperationen mit bestehenden Kompetenz-Clustern und Institutionen der Großregion und vertritt die unternehmerischen Interessen der Mitglieder aus der Fahrzeugindustrie und der Logistik gegenüber der Politik. Bei alledem ist die IHK Saarland auch weiterhin strategischer Partner.

Lassen Sie uns also gemeinsam die Corona-Krise überwinden und die Zukunft sichern – mit neuen Ideen und neuem Mut, großer Entschlossenheit und viel Optimismus.

Ihr

Dr. Carsten Meier

Zum Autor:

Herr Dr. Meier ist Geschäftsführer der IHK Saarland und leitet den Bereich Wirtschaftspolitik und Unternehmensförderung, in den auch das IHK- Kompetenzzentrum Außenwirtschaft integriert ist. Herr Dr. Meier betreut die Schlüsselbranchen der Saarwirtschaft und ist Regionalverantwortlicher für den Landkreis Saarlouis.