Kontinuierliches Laden von Elektrofahrzeugen mit 500 A

 HUBER+SUHNER hat mit der Entwicklung des ersten gekühlten Ladekabelsystems das schnelle Laden von Elektrofahrzeugen möglich gemacht. Nun steht die nächste Generation dieser Kabelsysteme bereit. Max Göldi arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei HUBER+SUHNER und verantwortet als Markt Manager das weltweite Geschäft mit gekühlten Ladekabelsystemen.

HUBER+SUHNER hat dem Markt ein neues High Power Charging System, RADOX® HPC500,  vorgestellt – bitte sagen Sie uns in wenigen Worten etwas zu diesem neuen System.

Göldi:   RADOX® HPC500 ist eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen HPC400 Systeme. Dabei haben wir uns besonders auf höhere Dauer-Ladeleistungen und eine einfachere Handhabung konzentriert. Zusätzlich haben wir neue Funktionen beziehungsweise Kundenanforderungen integriert.

HUBER+SUHNER war bis vor wenigen Jahren nicht als Hersteller von Ladekabelsystemen bekannt. Was hat Sie bewogen, hier Lösungen zu entwickeln?

Göldi:  Als eine führende globale Anbieterin von elektrischen und optischen Verbindungslösungen entwickelt HUBER+SUHNER hochwertige und langlebige Produkte für technisch anspruchsvolle Anwendungen.

Seit vielen Jahren entwickeln und produzieren wir für die Automobilindustrie verschiedene Spezialkabel wie Sensor- und Antikapillar-Kabel sowie Batteriekabel. Für Elektroautos bieten wir Hochvolt-Verbindungslösungen und High-Voltage-Distribution-Units (HVDU) an, in denen der Strom aus der Batterie auf die Antriebsmotoren und alle anderen Verbraucher verteilt wird.

In den Diskussionen mit unseren Kunden kam immer wieder die Frage auf, wie die Ladezeiten von Elektroautos deutlich reduziert werden können. Kürzere Ladezeiten bedingen höhere Ladeleistungen mit höheren Ladeströmen. Das kann mit herkömmlichen Kupferkabeln nicht mehr anwenderfreundlich umgesetzt werden.

Um den Querschnitt der Kupferkabel und damit das Gewicht der Ladeleitungen gering zu halten, begannen wir, über gekühlte Ladekabelsysteme nachzudenken. Diese technische Herausforderung zusammen mit der Aussicht, entscheidend zum Durchbruch schadstofffreier Mobilität beizutragen, hat uns bewogen, entsprechende Lösungen zu entwickeln.

Was sind die Erfolgsfaktoren, die HUBER+SUHNER zum Marktführer im Bereich der gekühlten Ladesysteme für elektrische Ladestationen gemacht haben?

Göldi:   HUBER+SUHNER hat bereits 2016 verschiedene Konzepte zur Übertragung von hohen Strömen für Ladestationen entwickelt und getestet. Durch aktive Mitarbeit in verschiedenen Gremien und dem Mut, ein Produkt parallel zur Erarbeitung der Normen zu entwickeln, ist es uns gelungen, rechtzeitig ein sicheres und zuverlässiges System auf den Markt zu bringen. In enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden konnten wir allen Herausforderungen, die innovative Lösungen mit sich bringen, markt- und zeitgerecht begegnen. Mit der Leistungsfähigkeit, Handhabung, Zuverlässigkeit und Qualität des HPC400 Systems haben wir das Vertrauen unserer Kunden gewonnen. Ohne HPC400 wäre der Roll-out der Schnelladeinfrastruktur bei Electrify America, Ionity und anderen Anbietern und Betreibern nicht so schnell und in diesem Umfang möglich gewesen.

Warum löst HUBER+SUHNER das erfolgreiche System jetzt mit einer neuen Generation, dem HPC500, ab?

Göldi:   Dadurch, dass so viele unserer Kabelsysteme in Europa und Amerika installiert sind, haben wir wertvolle Rückmeldungen und Anregungen aus dem Praxisalltag bekommen. Diese Erkenntnisse, neue Marktanforderungen und unser eigenes Streben nach ständiger Verbesserung haben uns dazu bewogen, ein neues System zu entwickeln.

Was genau haben Ihnen Ihre Kunden aus der Praxis zurückgemeldet?

Göldi: Im Grunde kann man die Rückmeldungen in zwei Bereiche unterteilen: Für die Endkunden ist vor allem die sichere und einfache Handhabung bei niedrigem Gewicht entscheidend. Natürlich sollen die Kabel möglichst flexibel sein. Besonders hervorgehoben wurde die angenehme Ergonomie des Steckers.

Die Ladesäulenhersteller – also unserer direkten Kunden – und die Betreiber legen großen Wert auf Lebensdauer, einfache Montage und Wartungsfreundlichkeit. Natürlich wird erwartet, dass künftige, teils lokal unterschiedliche Anforderungen wie beispielsweise das eichrechtskonforme Laden erfüllt werden.

Welchen zusätzlichen Nutzen bringt das für die Kunden?

Göldi:   HPC500 bringt verschiedene Neuerungen. Zuverlässigkeit und Sicherheit stehen für uns immer an erster Stelle – deshalb haben wir unter anderem den Schutzgrad des Steckers auf IP67 erhöht, was weit über die normative Anforderung hinausgeht. Daneben ist unbedingt die erhöhte Ladeleistung hervorzuheben. Die deutlich verbesserte Wärmeabfuhr ermöglicht auch bei hohen Umgebungstemperaturen (bis 50 °C) ein kontinuierliches Laden mit 500 A. Neben den austauschbaren Leistungskontakten im Stecker zur Verlängerung des Lebenszyklus bringt die serienmässig vorbereitete Gleichstrom-Leistungsmessung am Stecker erhebliche Vorteile für den Kunden.

Die Möglichkeit der Leistungsmessung müssen Sie mir erläutern!

Göldi:   Der Markt fordert schon seit längerer Zeit eine eichrechtskonforme Gleichstrom-Leistungsmessung, um eine wirklich korrekte Berechnung der bezogenen elektrischen Energie zu gewährleisten.

Inzwischen gibt es erste Anbieter, die Gleichstromzähler in der Leistungsklasse bis 500 kW im Sortiment haben. Nur mit der sogenannten Vierleitermessung ist eine wirklich exakte Bestimmung der abgegebenen Energiemenge möglich. HPC500 ist serienmäßig mit Messleitungen für die Vierleitermessung ausgerüstet.

Sind Ladeströme von 500 A wirklich gefordert vom Markt?

Göldi:   Die Entwicklung neuer elektrisch angetriebener Fahrzeuge aller Art und deren Batterien macht rasante Fortschritte. Schon heute laden Fahrzeuge mit 400-Volt-Bordnetz an 175-Kilowatt-Ladesäulen mit Strömen größer als 400 A – zukünftige Modelle werden ganz sicher die verfügbaren Ladeströme von bis zu 500 A ausnutzen. Mit der Lösung von HUBER+SUHNER sind die Kunden für diese Zukunft bestens gerüstet. Damit werden die Investitionen in die Ladeinfrastruktur langfristig abgesichert.

Wo benötigt man Ladestationen mit so hohen Leistungen?

Göldi:   Im Gegensatz zum Betanken herkömmlicher Autos mit Verbrennungsmotor gibt es bei Elektroautos unterschiedliche Ladeszenarien. Zum einen wird mit kleinerer Leistung für längere Zeit geladen, zum Beispiel zu Hause, während der Arbeitszeit, beim Einkaufen oder der Übernachtung im Hotel. Andererseits sind kurze Ladezeiten erforderlich, wenn Sie mit einem Elektrofahrzeug lange Strecken zurücklegen wollen. Kurze Ladezeiten sind jedoch nur mit hoher Ladeleistung zu realisieren. Deshalb werden derzeit vor allem entlang der Autobahnen und Bundesstraßen sowie an neuralgischen Punkten in Städten entsprechende Ladeparks mit höheren Ladeleistungen errichtet. Sie ermöglichen es bereits heute, mit dem Elektroauto auch weite Reisen zu unternehmen, ohne dass man längere Pausen zum Laden einplanen muss.

HUBER+SUHNER hat passend zum neuen Kabelsystem auch eine neue Kühleinheit entwickelt. Welche Verbesserungen sind davon zu erwarten?

Göldi:   Grundsätzlich steht eine wesentlich höhere Kühlleistung zur Verfügung. Dank des geregelten 24-Volt-Systems wird die Leistung der Kühleinheit dem Bedarf angepasst – dadurch werden bei niedrigerer Temperatur der Stromverbrauch und der Geräuschpegel der Kühleinheit deutlich reduziert. Die neuen Kühleinheiten sind wegen ihrer 24-Volt-Anschlüsse unkompliziert weltweit einsetzbar und bereits ab Werk mit Kühlmittel befüllt. Das vereinfacht und reduziert die Installationszeit – das Kabelsystem muss nur noch an die Kühleinheit gesteckt werden und ist bereit für den Betrieb.

Plant HUBER+SUHNER das Produktsortiment für Ladestationen zu erweitern?

Göldi:   Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung und Produktion von Gleichstrom-Ladekabelsystemen. Nach den vielen positiven Rückmeldungen zu unserem Stecker, haben wir uns entschlossen, ihn für sämtliche Ladeszenarien zur Verfügung zu stellen und entwickeln deshalb gerade ein ungekühltes Kabelsystem für Ladeströme bis zu 200 A. Dieses System wird alle technischen Eigenschaften des neuen HPC500 besitzen und optisch identisch sein. Damit können unsere Kunden den Leistungsbereich von 50 bis 500 kW mit der gleichen Stecker-Familie abdecken.

Was sind ihre weiteren Aktivitäten?

Göldi:   Neben den Diskussionen über noch höhere Ladeleistungen für Kraftfahrzeuge unterstützen wir das japanisch-chinesische Komitee zur Standardisierung eines neuen HPC Standard „ChaoJi“ für den asiatischen Markt.

Wie sehen Sie den Wettbewerb bei gekühlten Ladekabelsystemen?

Göldi:   Unsere Ladekabelsysteme sind mit ihrer direkten Kühlung der Kontakte und Kupferleitungen wirklich innovativ und überzeugen in Sachen Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit. Dazu kommt unsere mittlerweile schon langjährige Erfahrung mit gekühlten Ladekabelsystemen. Neben den gekühlten Lösungen gibt es im Markt auch Lösungen, die höhere Leiterquerschnitte benutzen. Dadurch werden die Ladekabel aber schwer und unhandlich. Zudem ist ein Laden mit höheren Strömen wegen der ungünstigen Wärmeabfuhr nur kurzzeitig möglich. Das macht solche Lösungen für die Anwender unattraktiv.

Welchen Einfluss hat die aktuelle Situation für HUBER+SUHNER?

Göldi:   Natürlich hätten wir unseren Kunden die neuen Produkte gerne persönlich auf den geplanten Messen vorgestellt. Da dies im Moment aber nicht möglich ist, haben wir uns entschieden digitale Kanäle zu nutzen. So bin ich zu meinem ersten Online-Launch gekommen. Videokonferenzen mit unseren Kunden und der Vertriebsorganisation sind in der Zwischenzeit auch für mich zum Alltag geworden. Obwohl das sehr gut funktioniert, vermisse den direkten Kontakt zu unseren Kunden.

Wie beurteilen Sie die Marktentwicklung von Elektrofahrzeugen?

Göldi:   Ich beobachte eine steigende Akzeptanz der E-Mobilität bei den Autofahrern. Es kommen viele neue Elektroautos auf den Markt und die Ladeinfrastruktur wird laufend ausgebaut. Deshalb bin ich überzeugt, dass Elektroautos bald nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken sein werden.

Fahren Sie selbst elektrisch?

Göldi:   Im Moment bin ich noch mit einem Plug-in-Hybrid unterwegs, aber mein nächstes Auto wird ganz bestimmt ein Elektroauto sein.

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