Stromisolierende Lager – herausfordernde Schlüsseltechnologie.

Die ROLLAX Kugellagerfabrik GmbH & Co. KG mit Sitz im nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen ist ein mittelständisches Zulieferunternehmen, das sich auf kundenspezifische Lösungen im Bereich von Speziallagern und bewegungsmechanischen Systemen – vornehmlich für die Automobilindustrie – konzentriert hat.

In der aktuellen Diskussion unter Fachleuten spielt der Einsatz stromisolierender Lager in Elektromotoren eine zunehmend bedeutende Rolle. Aus der Perspektive des technisch interessierten Laien deshalb die Eingangsfrage: Was sind stromisolierende Lager und wozu werden sie eingesetzt?

Lars Beyer: Stromisolierende Lager sind Wälzlager zur Vermeidung von Stromdurchgangsschäden, die in Elektromotoren zwischen Welle und Gehäuse durch unkontrollierten Stromübergang auftreten können. Die dabei freiwerdende Elektrizität beschädigt die Materialoberfläche. Es kommt zu Riffelbildung. Die Elektrizität zerstört die Schmierung und verursacht dadurch eine hohe Reibung und es kann zum vorzeitigen Ausfall der Lagerung und der gesamten Anlage kommen. Die Elektrizität spaltet das Schmieröl und erzeugt so atomaren Wasserstoff, was schlussendlich ebenfalls zum AnlagenAusfall führt.

Stromisolierende Lager bieten einen zuverlässigen Schutz vor diesen durch Stromdurchgang verursachten Phänomenen.

Ihre Industrie unterscheidet zwei unterschiedliche Typen von Wälzlagern, die beide gegen Stromdurchgang isolieren. Dies sind zum einen Keramik-beschichtete Lager und zum anderen Hybridlager. Was ist der Unterschied zwischen beiden Lagertypen und worin bestehen die jeweiligen Vor- bzw. Nachteile?

Lars Beyer: Bei beiden Varianten handelt es sich um die grundsätzlich bekannte Bauformen. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der Außen- oder Innenring des Lagers mit einer stromisolierenden Schicht überzogen ist oder – wie bei den sog. Hybridlagern- die Walzkörper aus Keramik bestehen. Mit Hybridlagern wird eine höhere Isolationswirkung erzielt. Sie zeichnen sich durch geringere Reibung, ein geringeres Gewicht und eine größere Lagersteifigkeit aus. Allerdings sind sie in der Herstellung auch deutlich teurer als alle anderen Varianten.

Rollax beschreitet mit seinem neu entwickelten ROLLAX-NVH- stromisolierenden Rillenkugellager einen neuen technologischen Ansatz, der sich wesentlich von den bekannten Anwendungen unterscheidet. Was ist neu an ihrer Entwicklung?

Lars Beyer: Wir haben ein Standard-Kugellager so modifiziert, dass es zwei voneinander galvanisch entkoppelte Außenringe besitzt. Um package-neutral zu bleiben, haben wir die Laufbahnen und Kugeln leicht geschrumpft. Diese Lösung kann je nach Steifigkeit der Entkopplungselemente auch zur Dämpfung von Körperschall eingesetzt werden. Dabei ist es möglich, sofern in der Applikation gewünscht, zwei Vorteile gleichzeitig zu erreichen: Stromisolierung und NVH-Körperschall-Entkopplung. Bei der Entwicklung stand weniger die Vermeidung von Durchgangsströmen im Vordergrund. Getrieben wurde die Entwicklung in erster Linie von NVH-Aspekten – nämlich der Verringerung von Geräuschemissionen. Die Stromisolierung war ein Nebennutzen, der nicht vordergründig intendiert als windfall-profit zusätzlich anfiel. Das entstandene Lager ist deutlich preisgünstiger als ein Hybridlager, was es als Alternative sehr interessant macht.

Der Einfluss von Geräuschen und Vibrationen auf den Fahrkomfort insbesondere von Elektrofahrzeugen im Bereich „Noise, Vibration, Harshness“ (NVH) spielt eine zunehmend bedeutende Rolle. Wie können Lager einen Beitrag zur Komfortverbesserung von Elektrofahrzeugen leisten?

Lars Beyer: Elektromotoren als Antriebsaggregat in Fahrzeugen sind deutlich leiser als klassische Benzin- oder Dieselmotoren. Damit werden durch Nebenaggregate wie z.B. Bremskraftverstärker verursachte Geräuschemissionen deutlicher hörbar, als das zuvor der Fall war. Das NVH- und stromisolierende Rillenkugellager verringert den Durchgang von Körperschall durch das Lager zum Teil deutlich. Damit erreichen weniger Vibrationen das Gehäuse oder andere Klang-Emitter, die aus dem Körperschall schlussendlich hörbaren Luftschall erzeugen.

Worin bestehen die wesentlichen Vorteile ihrer neuen Lager-Technologie?

Lars Beyer: Das ROLLAX-NVH-Lager zeichnet sich im Vergleich zu anderen Kugellagern dadurch aus, dass es sowohl stromisolierend wirkt als auch einen deutlichen Beitrag zur Verringerung von Geräuschemissionen leistet. Die Wirkung lässt sich applikationsbezogen optimieren.

Es ist package-neutral, das heißt, dass es ohne konstruktive Veränderung andere, konventionelle Lager problemlos ersetzen kann, da es über identische Abmessungen wie die Normreihen verfügt. Damit stellt es in vielen Fällen eine gute und kostengünstige Erweiterung zu den jetzigen auf dem Markt erhältlichen Lösungen – insbesondere Hybridlagern – dar.

Stromisolierende Lager fanden bisher Verwendung bei Schienenfahrzeugen, bei Gleich- und Wechselstrommotoren in der Antriebstechnik und bei Generatoren in Windenergieanlagen. Sehen sie für ihr neues Produkt weitere Anwendungsmöglichkeiten?

Wie von mir bereits erwähnt, sehen wir einen Anwendungsschwerpunkt bei Nebenaggregaten in Elektrofahrzeugen sowie bei Antriebseinheiten von E-Bikes. Weitere Anwendungsmöglichkeiten bestehen bei geräusch-sensiblen Produkten wie Wärmepumpen, Lüftern oder im Bereich der Weißen Ware für die Verwendung in Haushalten.

Her Beyer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Dr. Rudolf Müller.

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