Ein Beitrag von Armin Gehl, Geschäftsführer des autoregion e.V., Saarbrücken.

Schaut man sich die aktuellen Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes an und analysiert gleichzeitig die mittelfristigen Produktplanungen europäischer Fahrzeughersteller, liegt der Schluss nahe, dass die batterieelektrische Antriebsvariante in ihrer reinen Form oder als Hybrid-Derivat das Rennen um die Ablösung der klassischen Verbrennungstechnologie zu machen scheint. Eine noch nicht in ausreichendem Maß vorhandene Ladeinfrastruktur sowie ungelöste Fragen bei Produktion und Entsorgung von Batterien begrenzen jedoch das Wachstum.

„Deutsches E-Auto-Ziel schon halb erfüllt“ titelte die FAZ am 28.12.2020 in einem Beitrag von Martin Gropp. Und dieser liest sich, wie die lang herbeigesehnte Erfüllung einer viele Jahre schier unerreichbaren Prophezeiung. 2009 definierte die Bundesregierung das Ziel: eine Million Elektrofahrzeuge sollten bis 2020 auf Deutschlands Straßen verkehren und in den wichtigen Ballungsgebieten sollte eine flächendeckende Ladeinfrastruktur verfügbar sein. Rechnet man die vom Kraftfahrbundesamt im November 2020 veröffentlichen Zahlen auf das Jahresende 2020 hoch, dürften über alle Fahrzeugarten hinweg deutlich über 600.000 elektrisch angetriebene Kraftfahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Dies ist zwar nur circa ein Prozent des Gesamtbestands von rund 60 Millionen Fahrzeugen, aber die Tendenz ist eindeutig stark steigend.

Und die Zuwachsraten bei den Elektro- und Hybridfahrzeugen sind in der Tat beeindruckend. Vergleicht man die vom Kraftfahrt-Bundesamt veröffentlichten Neuzulassungszahlen von Oktober und November 2020 weisen diese bei den reinen Elektrofahrzeugen eine Steigerung von 522,8 Prozent aus, bei den Hybridfahrzeugen ein Anstieg um 177,2 Prozent, wobei darin die Plug-in-Hybride mit einem Plus von 383,4 Prozent deutlich überproportional vertreten sind. Flüssig- und Erdgasfahrzeuge konnten ihren Zulassungsanteil um beachtliche 50,9 Prozent steigern. Ihr Anteil an allen Neuzulassungen mit alternativen Antrieben betrug allerdings nur magere 0,5 Prozent.

Was hat diesen Boom ausgelöst? Ohne Zweifel war die maßgebliche Initialzündung die Entscheidung der Bundesregierung, die Förderung bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen deutlich zu verbessern. So wurde am 17.11.2020 beim „Auto-Gipfel“ im Kanzleramt beschlossen, die im Rahmen des Corona-Konjunkturprogramms bereits verdoppelte, aber bis Ende 2021 befristete sog. Innovationsprämie bis Ende 2025 zu verlängern. Danach werden reine E-Fahrzeuge mit einem Betrag von bis zu 9.000 Euro gefördert, Plug-in-Hybride erhalten eine Förderung von bis zu 6.750 Euro. Hinzu kommen die Befreiung von der Kfz-Steuer bis zum 31.12.2030 sowie die Entlastungen bei der Privatnutzung von Elektro-Dienstwagen. Zwar werden auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb gefördert. Angesichts des deutlich geringeren Angebots an Fahrzeugen mit dieser Antriebsart fällt der Steigerungseffekt bei den Neuzulassungen entsprechend niedriger im Vergleich zu reinen Elektrofahrzeugen bzw. Plug-in-Hybriden aus, die alle großen Hersteller in ihrem aktuellen Angebotsportfolio führen.

Bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge setzen die deutschen Fahrzeughersteller in erster Priorität auf die verschiedenen Varianten batterieelektrischer Antriebsarten. Am eindeutigsten hat sich in dieser Hinsicht VW positioniert. „Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zum batterieelektrischen Antrieb“ verkündete VW-Vorstandschef Herbert Diess schon auf der VW-Hauptversammlung 2019 in Berlin und seither setzt VW diese programmatische Vorgabe konsequent in seiner Modellpolitik um. Und der Erfolg scheint den Wolfsburgern Recht zu geben. Nicht etwa Tesla, sondern VW liegt mit etwa 17 Prozent Marktanteil bei den E-Fahrzeugen in Deutschland auf Platz eins.

Aber auch die anderen deutschen Hersteller marschieren in diese Richtung. So plant Audi bis 2030 einen Anteil von 34 Prozent batterieelektrischer Fahrzeuge bezogen auf die Gesamtproduktion. Bei BMW sind es 17 Prozent, wobei BMW heute bereits Weltmarktführer bei den Plug-in-Hybriden ist. Unter dem Strategielabel „Electric First“ plant Mercedes in den nächsten zwei Jahren acht vollelektrische neue Modelle auf den Markt zu bringen – darunter auch die neue S-Klasse. Das hochgesteckte Ziel für 2030 lautet: Mehr als die Hälfte des weltweiten Absatzes soll aus Plug-in-Hybriden und vollelektrisch betriebenen Fahrzeugen bestehen.

Aus der Reihe tanzt indes Porsche und lässt seinen Entwicklungsvorstand Michael Steiner in der FAZ vom 22.12.2020 verkünden: „ Wir setzen auf einen Dreiklang der Antriebstechnik: vollelektrische Modelle, effiziente Plug-in-Hybride und emotionale Verbrennungsmotoren.“ Konsequenterweise beschloss Porsche mit seinem Partner Siemens Energy den Aufbau einer weltweit ersten Produktionsanlage für synthetische Kraftstoffe.

An die Brennstoffzelle als die Antriebsart der Zukunft für PKWs scheint nur noch Opel zu glauben. Am Stammsitz Rüsselsheim ist das Kompetenzzentrum Brennstoffzelle für den gesamten PSA-Konzern angesiedelt und man plant für 2024 mit einem ersten serienreifen Fahrzeug. Dahingegen hat Mercedes sein einziges Brennstoffzellen-Fahrzeug, das SUV GLC Fuel Cell, vom Markt genommen.

Durchgesetzt hat sich wohl die Erkenntnis, dass die batterieelektrische Antriebsvariante für Schwer-LKW, zumindest im Fernverkehr- keine Alternative darstellt. Zu lange Ladezeiten und zu hohes Gewicht der Batterien verhindern einen wirtschaftlichen Fahrbetrieb. Der süd-koreanische Hersteller Hyunday bietet bereits heute LKWs mit Brennstoffzellentechnologie an, die ohne die schweren Batterien auskommen. Daimler und Volvo haben ihre Entwicklungskapazitäten gebündelt und wollen gemeinsam schwere Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt bringen.

Handelt es sich bei den Elektromotoren um weitgehend bekannte und in anderen Anwendungen – wie zum Beispiel der Bahntechnik – erprobte Technologien, die nun für den Automobilbereich adaptiert werden, stellt die Batterietechnik die Automobilhersteller vor ganz neue Herausforderungen sowohl in technologischer als auch in ökologischer und ökonomischer Hinsicht.

Wesentliche Wettbewerbskriterien batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge sind Reichweite und Ladezeiten. Beide Kriterien sind nicht durch die elektrische Antriebseinheit, sondern ausschließlich durch die Weiterentwicklung der Batterietechnologie beeinflussbar. Und da bewegen sich unsere OEM`s auf technologischem Neuland. Noch beherrschen Batteriehersteller aus Japan, Korea und China mit einem Anteil von 75 Prozent den Weltmarkt. Tesla verfügt in den USA über eine eigene Batterieproduktion und plant, in dem im Bau befindlichen Werk in brandenburgischen Grünheide eine weitere Batterieproduktion zu installieren. VW und Daimler weiten – teilweise mit ausländischen Partnern ihre eigene Batterieproduktion aus. Dennoch ist die Batterieeinheit im Elektrofahrzeug für viele Hersteller nach wie vor ein Kaufteil, das von externen Produzenten bezogen wird. Vergegenwärtigt man sich, dass der Wertschöpfungsanteil der Batterieeinheit am Gesamtfahrzeug bis zu 50 Prozent beträgt, wird die ökonomische Relevanz deutlich. Nur mit eigener intensiver Forschung und Entwicklung an der Batterieeinheit wird es möglich sein, signifikant Kosten zu senken und den Wirkungsgrad in Hinblick auf Ladezeit und Reichweite zu erhöhen und damit dauerhaft international Wettbewerbsfähigkeit der Produkte zu erzeugen.

Abhängig vom Grad ihrer Nutzung müssen die heute marktüblichen Lithium-Ionen-Akkus ausgetauscht, entsorgt oder recycelt werden. Ungeklärt, sowohl in technischer als auch gesetzgeberischer Hinsicht ist, wie und in welcher Form dies erfolgen kann oder muss. Angesichts noch nicht ausreichender Mengen zu entsorgenden Materials sind wirtschaftlich sinnvolle Geschäftsmodelle derzeit noch nicht darstellbar. Aber das Problem kommt mit naturwissenschaftlicher Gewissheit auf uns zu und wir müssen darauf vorbereitet sein. Konzepte und regulatorische Vorgaben müssen in Zusammenarbeit mit den OEM`s entwickelt werden, um nicht in einigen Jahren vor unlösbaren Problemen zu stehen und den Ursprungsgedanken bei der Einführung der E-Mobilität, nämlich die Verbesserung der Klimabilanz, ad absurdum zu führen.

Finales Erfolgskriterium für die batterieelektrische E-Mobilität ist die ausreichende Verfügbarkeit einer Ladeinfrastruktur mit einheitlichen technischen Standards und einem einheitlichen, grenzüberschreitend wirksamen Bezahlsystem. Vom selbst gesteckten Zielwert der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 über eine Million öffentlicher Ladepunkte zu verfügen, sind wir derzeit mit aktuell 32.110 öffentlichen Ladepunkten noch meilenweit entfernt. Die beschlossenen Fördermaßnahmen einschließlich der Zuschüsse für private Ladestationen weisen hier sicherlich in die richtige Richtung. Ob der Ausbau einer herstellerabhängigen Ladeinfrastruktur, wie dies Tesla mit großem Aufwand betreibt, deutliche Effizienzgewinne generiert, darf indes bezweifelt werden.

Der Erfolg des batterieelektrischen E-Antriebs wird sich weiter fortsetzen. In welcher Intensität sich dies vollziehen wird, hängt im Wesentlichen von der Lösung der dargestellten Probleme bei Batterietechnik und Ladeinfrastruktur und weniger von den Modellen unserer Hersteller ab.