Der ökologische Fußabdruck für Kunststoffe steht schon seit längerem auch aufgrund der energieintensiven Herstellung in der öffentlichen Kritik. Daher wird immer häufiger an umweltschonenden Alternativen – sogenanntem Biokunststoff – geforscht, um die CO2-Bilanz zu verbessern. In diesem Rahmen hat die Lorenz Kunststofftechnik GmbH von 2018 bis 2020 gemeinsam mit dem Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) an Möglichkeiten für die Herstellung eines duroplastischen Verbundwerkstoffes mit einem geringeren CO2-Verbrauch gearbeitet. Das Ergebnis ist ein gewichtsreduziertes Halbzeug auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen, für dessen Herstellung auf biologische Materialien zurückgegriffen wird. Dank der dabei erzielten Dichtereduktion eröffnen sich für das neu entwickelte Halbzeug Einsatzmöglichkeiten als Leichtbauwerkstoff in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Automotive und E-Mobilität oder Bau-Infrastruktur. Um die ökologische Bilanz zu verbessern, hat sich das Unternehmen für die zu erwartende Kommerzialisierung der Projektergebnisse dazu entschieden, die Rohstoffe im regionalen Umkreis von 500 km zu beziehen. Der nachhaltige Kunststoff ist flammenfest nach UL 94 V0 4 mm HB und schimmelresistent. Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen einer ZIM-Förderung (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) finanziell unterstützt.

Erste Ideen für umweltschonende Polymere kursierten bei der Lorenz Kunststofftechnik GmbH bereits im Nachgang der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015. Seitdem suchten die Experten für Duroplaste nach einem geeigneten Forschungspartner und fanden ihn im Jahr 2018 mit dem Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) aus Kaiserslautern. „Bereits bei früheren Projekten haben wir dem IVW Halbzeuge zur Verfügung gestellt und konnten daher auf eine gute und effiziente Zusammenarbeit zurückblicken“, berichtet Peter Ooms, Direktor für Vertrieb und Geschäftsentwicklung bei der Lorenz Kunststofftechnik GmbH. „Im aktuellen Forschungsprojekt unterstützten wir das IVW mit unserem Know-how und SMC-Materialien, aber auch bei den nachfolgenden Tests für die industrielle Fertigung. Das Institut aus Kaiserslautern übernahm dabei die Vorversuche im Labormaßstab, sowie allgemeine Untersuchungen und die Entwicklung der Rezepturen für das neue Bio-SMC.“

Analyse der erforderlichen Parameter

In einem ersten Schritt erstellten Lorenz und das IVW gemeinsam ein Material-Lastenheft. Dazu wurden etwa 30 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen befragt, für die ein solcher Duroplast interessant sein könnte – unter anderem Experten aus dem Elektrobereich, der Automotive-Branche und der industriellen Fertigung. „Unsere Umfrage hat ergeben, dass je nach Anwendungsbranche verschiedene Anforderungen an das Material gestellt werden. Fast alle Befragten legten jedoch Wert auf ein Life-Circle-Assessment (LCA), um Umwelt-Aspekte und CO2-Reduzierung bei der Herstellung sowie die Recyclingfähigkeit abbilden zu können. Ein Ansatz dafür ist beispielsweise die Forschung an nachhaltigen Füllstoffen, Fasern und Harzen in der Herstellung von BMC- und SMC-Halbzeugen“, ergänzt Ooms. „Auf Grundlage dieser Maßgaben wählten wir die in Frage kommenden biologischen Materialien zur Herstellung von SMC-Halbzeugen aus.“ In die engere Auswahl kamen dabei verschiedene bio-basierte Leichtbau-Füllstoffe und -Fasern – beispielsweise Sonnenblumenkernschalenmehl oder Schilf.

In der nächsten Phase des Projekts bereitete das IVW die Charakterisierung und Herstellung des bio-basierten SMC im Labormaßstab vor. „Dazu führten wir im Vorfeld erste Versuche mit verschiedenen Leichtbau-Füllstoffen und -Fasern durch“, erläutert Dr.-Ing. Florian Gortner, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Verarbeitungstechnik des IVW. „Auf Basis dieser Ergebnisse wurden sämtliche notwendigen Parameter analysiert und überprüft, welche Materialien sich besonders gut eignen würden.“ Zu den hierbei ausgewerteten Daten zählten unter anderem etwa die Imprägnierbarkeit, Dichte, Viskosität, sowie Verfügbarkeit der jeweiligen Rohmaterialien.

Charakterisierung und Herstellung eines teilweise biobasierten Halbzeugs

Nachdem ein grundlegendes Verständnis der Rezeptur erarbeitet worden war, so dass die Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten untereinander nachvollziehbar waren, wurde im nächsten Arbeitsschritt ein Demonstrator definiert. „Dieser Demonstrator in Form eines Schikanenbauteils half uns, das Fließ- und Formfüllverhalten des Werkstoffs zu prüfen und mit konventionellen SMC-Halbzeugen abzugleichen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen und Pressrheometer-Versuchen konnte ein Simulationsmodell erstellt werden, um das Fließverhalten abbilden und auch für weitere Werkzeuggeometrien vorhersagen zu können.“, erklärt Gortner. „Daher war die Unterstützung durch die SMC-Experten von Lorenz besonders wertvoll – nur so konnten wir Fortschritte bei der Entwicklung erzielen.“ Das darauffolgende Hauptziel war die Vergleichbarkeit der verfügbaren SMC-Halbzeuge und die Schaffung einer soliden Basis für weitere Versuchsreihen. Dies konnte unter anderem an der Herstell- und Verarbeitbarkeit mit konventioneller Anlagen- und Prozesstechnik und an ausgewählten mechanischen Eigenschaften nachgewiesen werden.

Nachdem alle Spezifikationen durch die Zusammenarbeit mit Materiallieferanten, SMC-Experten, Zulieferern und einer ausgedehnten Literaturrecherche geklärt waren, wurde mit der ersten Entwicklung einer SMC-Harzpaste auf Basis konventioneller Füllstoffe begonnen. „Als Ausgangspunkt für das Forschungsprojekt wählten wir ein UP-Harz und das dazu passende Anti-Schrumpf-Additiv, um die Grundlage der SMC-Rezepturentwicklung zu verstehen“, so Gortner. „Weiterhin wurden zur Eindickung des Harzes Magnesiumoxid und ein internes Trennmittel, sowie eine Farbpaste zum Einfärben der Halbzeuge verwendet. In Abhängigkeit von unseren Befragungsergebnissen gaben wir weitere Additive hinzu und passten die Harzpaste der Anwendung an.“ Die Herausforderung bestand in dieser Phase des Projekts darin, das grundlegende Verständnis über das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten in einer SMC-Rezeptur zu verstehen. Nach iterativen Testreihen konnten für verschiedene Harzsysteme die großteils bio-basierten Rezepturen entwickelt werden, welche das jeweils gewünschte Viskositäts-, Fließ- und Imprägnierverhalten aufzeigten. Diese Rezepturen waren bei gleichen Fasermassengehältern mit den am Markt verfügbaren Rezepturen vergleichbar.

Einsatz im industriellen Maßstab 

Auf diese Weise wurde ein Halbzeug entwickelt, das über eine geringere Dichte als herkömmliches SMC verfügt. Dadurch eignet es sich besonders in der Elektromobilität als Leichtbauwerkstoff, weshalb Lorenz in Zukunft verstärkt auf dieses neue Halbzeug für die industrielle Fertigung setzen wird. „Nachdem uns in Zusammenarbeit mit dem IVW nun die Umsetzung dieses neuen Duroplasts gelungen ist, planen wir bereits weitere Optimierungsmöglichkeiten für die praktische Anwendung“, so Ooms abschließend. „Aus dem Arbeitsalltag werden wir sicherlich noch weiteres wertvolles Feedback erhalten, um bestimmte Elemente in der Rezeptur zu verändern oder auch einzelne Parameter für spezielle Anwendungen individuell anzupassen.“

Eine solche Optimierung könnte darin bestehen, die Anteile der Harzpaste mit den restlichen Materialien oder auch die Menge an Naturfaser zu variieren. Dadurch ist es möglich, dass für jeden Anwendungsfall das optimale Halbzeug in Bezug auf Dichte und mechanische Eigenschaften zur Verfügung steht. Auch ungesättigte Polyesterharze könnten ersetzt werden, um nicht nur die Umwelt zu schonen, sondern auch ein Gesundheitsrisiko für die tägliche Arbeit an Polymeren zu reduzieren oder sogar ganz zu eliminieren. „Ziel unseres Forschungsprojektes war der Beweis, dass der Einsatz bio-basierter Komponenten in Duroplast-Halbzeugen möglich ist“, resümiert Gortner. „Dies konnten wir dank der tatkräftigen Unterstützung von Lorenz erfolgreich umsetzen und werden das Feedback aus der industriellen Fertigung weiter berücksichtigen.“ Davon versprechen sich Lorenz und das IVW eine weitere Entwicklung und Optimierung des Halbzeuges mit bio-basierten Komponenten.

Mehr Informationen unter: www.lomix.de

Das Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung des Landes Rheinland-Pfalz und der Technischen Universität Kaiserslautern. Es erforscht Grundlagen für zukünftige Anwendungen von Verbundwerkstoffen, die beispielsweise für die Mobilität der Zukunft, die Bereiche Energie, Klima und Umwelt, die Produktionstechnologie sowie für das Gesundheitswesen von großer Bedeutung sind. Neue Werkstoffe, Bauweisen und Fertigungsprozesse werden untersucht und für die jeweiligen Produktanforderungen maßgeschneidert. Derzeit beschäftigt das IVW etwa 120 Mitarbeiter.

Die Lorenz Kunststofftechnik GmbH wurde 1966 von Siegfried Lorenz gegründet und ist seit 1996 unter der Leitung von Thomas Lorenz in zweiter Generation in Familienbesitz. Zunächst war das Unternehmen auf die Herstellung von verschiedenen Glasfaserprodukten spezialisiert, bevor es seine Expertise in den folgenden Jahren auf die Produktion von SMC und BMC erweitert hat. Heute ist Lorenz in den Bereichen Halbzeugfertigung, Forschung und Entwicklung, kunden- und bauteilspezifische Werkstoffentwicklung sowie im Recycling von Duroplasten tätig. Kunden aus der Fahrzeug-, Elektro-, Bau-, Sanitär- und Chemieindustrie, Haushaltsgerätehersteller sowie Schienenfahrzeugbauer werden mit individuell produzierten Halbzeugen beliefert. Am Sitz des Unternehmens in Wallenhorst bei Osnabrück beherbergt das Werk neben der Produktion außerdem ein Labor und eine eigene Werkstatt. Forschung und Weiterentwicklung haben einen hohen Stellenwert für die Kunststoffexperten. Das Unternehmen kooperiert daher mit diversen Hochschulen im Umfeld.