Es ist schon ein seltener Fall aus dem Patentrecht. Normalerweise streiten die Beteiligten um die Wirksamkeit, Inhaberschaft oder die Verletzung eines Patents. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es aber im Rahmen einer Rechtsbeschwerde um eine Grundsatzfrage, ob Künstliche Intelligenz (KI) als Erfinder im Patentanmeldungsverfahren benannt werden kann (BGH, Beschluss vom 11.06.2024 – X ZB 5/22 BPatG). Bei den angemeldeten Erfindungen ging es um Lebensmittel- oder Getränkebehälter als künstliches Gebilde. Diese Frage kann auch für die Autoindustrie von Bedeutung sein, wenn es um mit KI-gesteuerte Automatismen in der Fertigung von Kraftfahrzeugen geht und geklärt werden muss, welchen Grad die KI am Ergebnis der Fahrzeugerstellung hatte.
Der BGH hat nunmehr bestätigt, dass KI kein Erfinder sein kann. Erfinder können nur natürliche Personen (d. h. Menschen) sein. Der BGH schließt sich damit einer Reihe ähnlicher Entscheidungen in anderen Ländern an. Ein US-Physiker hatte mit seinem künstlerischem Erfindungsprojekt Verfahren rund um den Globus angestrengt. Überwiegend wurde die Erfinderstellung auf natürliche Personen begrenzt. So sahen es die Gerichte in den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien, Neuseeland und Japan. Anders wurde es nur in Südafrika gesehen, wo sich das Anmeldeverfahren auf die reine formelle Prüfung beschränkte.
Der BGH begründet seine ablehnende Entscheidung damit, dass der Erfinder Träger eines Rechts sei. Im Übrigen gebe es nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein System, das ohne jede menschliche Vorbereitung oder Einflussnahme nach technischen Lehren sucht. An jeder Erfindung, auch wenn diese mit Unterstützung der KI entsteht, muss immer auch ein Mensch beteiligt sein. Die Stellung als Erfinder ist nicht nur Ergebnis eines tatsächlichen Vorgangs, nämlich das Auffinden einer neuen technischen Lehre. Vielmehr umfasst sie auch die rechtlichen Beziehungen. So begründet die Stellung als Erfinder das Recht auf das Patent. Insbesondere entsteht ein Erfinderpersönlichkeitsrecht. Die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder im Rahmen des Anmeldeverfahrens ist nach BGH auch dann möglich, wenn zum Auffinden der beanspruchten technischen Lehre ein System mit KI eingesetzt worden ist. Dies setzt keinen eigenständigen erfinderischen Beitrag des Menschen iSd § 4 PatG voraus, sondern lediglich einen menschlichen Beitrag, der den Gesamterfolg wesentlich beeinflusst hat. Die Benennung als Erfinder setzt allerdings nicht voraus, dass der Gegenstand der Anmeldung patentfähig ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist es für die Frage, ob ein die Stellung als Erfinder begründender schöpferischer Beitrag vorliegt, nicht erforderlich, dass dieser Beitrag einen eigenständigen erfinderischen Gehalt aufweist (BGH, Urteil v. 04.08.2020 – X ZR 38/19).
Die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder ist auch dann möglich und erforderlich, wenn zum Auffinden der beanspruchten technischen Lehre ein System mit KI eingesetzt worden ist. Im entschiedenen Fall hatte der BGH im Anmeldeverfahren die Benennung eines menschlichen Erfinders mit dem Zusatz dennoch erlaubt, der Erfinder habe „die näher bezeichnete KI dazu veranlasst, die Erfindung zu generieren.“ Die Ergänzung einer hinreichend deutlichen Erfindernennung um diese Angabe wird sicherlich die Stellung des Patentanmelder nicht stärken.
Das Urteil hat auch weitreichende Folgen für die Praxis. Der BGH gestattet nunmehr die patentrechtliche Aneignung einer Erfindung, an deren Auffinden KI beteiligt war, durch einen Menschen mittels Selbstbezeichnung als Erfinder. Bei der Abfassung solcher KI-Patentanmeldungen sind aber nach dieser Entscheidung wichtige Besonderheiten zu beachten. Insbesondere sollte die Patentanmeldung umfangreiche Ausführungen zu den verwendeten KI-Trainingsdaten und den erzielten Ergebnissen enthalten, um dem Patentamt zu ermöglichen, die Erfindung nachzuvollziehen. Weiterhin wird es darauf ankommen, bei jeder Erfindung mit KI-Bezug frühzeitig und unter Einbeziehung aller Beteiligten vertraglich festzulegen, wem die Rechte an der Erfindung zustehen sollen, um nachfolgenden Streit zu vermeiden.
Schwierig bleibt es zu beurteilen, ob ein Programmierer als Erfinder in Betracht kommt, wenn er mittels KI ein ganz konkretes Erfindungs-(Ziel) im Auge hat und zu erwarten ist, dass die KI das Ziel erreicht. Da es bei der Erfindereigenschaft immer um Eigentumsrechte geht, kommt hier nämlich für die Erfindereigenschaft nicht nur der Programmierer in die engere Wahl, sondern auch der Anwender. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich hier die Rechtsprechung entwickelt.
Weiterhin wird zukünftig bei der Beurteilung einer Erfindung zu klären sein, welchen Einfluss die KI-Beteiligung auf die Erfindung hat. Hier sind drei Stufen der KI-Beteiligung denkbar:
- Von natürlichen Personen gemachte Erfindungen, bei denen KI lediglich zur Datenverifizierung genutzt wird;
- Erfindungen, bei denen das zu lösende Problem von natürlichen Personen identifiziert und dieses von der KI gelöst wurde.
- Erfindungen zu Problemen, bei denen das Problem an sich von der KI eigenständig erkannt wurde.
Voraussetzung einer patentfähigen Erfindung ist, dass die Erfindung neu und erfinderisch ist. Ferner ist es erforderlich, dass die Erfindung ausreichend in der Patentanmeldung beschrieben wird, so dass sie für andere Fachleute verständlich und reproduzierbar ist. Um zu beurteilen, ob etwas erfinderisch ist, wird generell vom Patentamt der Fachmann auf dem Gebiet der Erfindung zu Rate gezogen. Es mag im Einzelfall zu Problemen der ausreichenden Beschreibung der Erfindung kommen, jedenfalls dann, wenn der Algorithmus ein zentraler Bestandteil der Erfindung ist und schwer nachvollziehbar ist, welche „Gedankengänge“ die KI hier entwickelt hat. Kein Problem sollte es hingegen sein, wenn die „fertige“ Erfindung aus sich selbst heraus verständlich ist.