Autonomes Fahren: Ein Prestigeobjekt der Autoindustrie

Im Juli 2021 ist das Gesetz zum autonomen Fahren in Kraft getreten. Es betrifft festgelegte Betriebsbereiche und soll nach dem Willen des Gesetzgebers Potenziale dieser Technologien fördern sowie die Teilhabe der Gesellschaft daran ermöglichen. Das neue Gesetz richtet sich demnach nicht an den Individualverkehr, sondern für den Personen – und Gütertransport. Vorausgegangen war die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) aus dem Jahre 2017, wonach der Einsatz teilautomatisierter Fahrzeuge (SAE-Level 3) erlaubt wurde. Auf Automatisierungsstufe hat der Fahrzeugführer eine ständige Überwachungspflicht, kann sich aber kurzfristig von der Fahraufgabe abwenden.

Die neuen Regelungen betreffen nunmehr die vierte von fünf Automatisierungsstufen (SAE-Level 4), bei der der Fahrzeugführer zum Insassen wird. Das Fahrzeug wird in die Lage versetzt, die Fahraufgabe in bestimmten Betriebsbereichen (z. B. Firmen- oder Messegelände) selbständig auszuüben. Beim vollautomatisierten Fahren darf sich das Fahrzeug sogar ohne Insassen fortbewegen. Dem Insassen ist es außerdem erlaubt zu schlafen, Zeitung zu lesen oder einen Film anzuschauen. Die fünfte, finale Stufe ist noch „Zukunftsmusik“. Dann werden die Fahrzeuge vollständig vom System beherrscht, welches die Aufgaben autark durchführt. Bei Unfällen soll dann die Haftung bei Herstellern, Betreibern oder Versicherer liegen.

Neben den Anforderungen an die technische Ausrüstung der Fahrzeuge und die Festlegung der Systemgrenzen im neuen Gesetz sind Kernpunkte die Pflichten der Beteiligten, die Datenverarbeitung und die Haftung. Die Beteiligten sind der Halter, die Technische Aufsicht und der Hersteller. Der Halter gewährleistet die Verkehrssicherheit, die Umweltverträglichkeit und die Wartung der Systemfunktionen. Die Technische Aufsicht muss bspw. Fahrmanöver bewerten und freischalten oder das System deaktivieren. Der Hersteller muss die erforderlichen Nachweise zur Verkehrssicherheit des Fahrzeuges erbringen. Die personenbezogenen Daten (z. B. Fahrzeugidentifikationsnummer) sind vom Halter nur anlassbezogen zu speichern. Die Grundsätze der Datenminimierung und -sparsamkeit sind zu beachten. Da der Fahrer als Haftpflichtiger nicht mehr in Betracht kommt, bleibt nur eine Haftung des Halters erhalten. § 7 StVG setzt kein Verschulden voraus. Möglich ist aber auch, dass die Technische Aufsicht in die Haftung genommen werden kann. Dies setzt aber voraus, dass sich die Haftpflichtversicherung des Halters auf diese beziehen muss. Technische Aufsicht und Hersteller haften lediglich bei technischen Fehlern. Allerdings wird es im Falle eines Fehlers schwierig sein, beim Zusammentreffen unterschiedlicher Komponenten eine Zuordnung vornehmen zu können. Die Automobilhersteller werden versuchen, sich über Vereinbarungen mit den Lieferanten sich schadlos halten zu können.

Dieses Gesetz ist nur ein Schritt hin zur Einführung automatisierter, autonomer und vernetzter Fahrzeuge in den Regelbetrieb öffentlicher Straßen. Eine Harmonisierung auf europäischer Ebene ist noch nicht möglich, da europäische Vorgaben einen Fahrzeugführer fordern, was dem Grundgedanken des autonomen Fahrens nicht entspricht.

Um das neue Gesetz in der Praxis umsetzen zu können, hat der Bundesrat am 20.05.2022 in einem weiteren Schritt der Autonomen- Fahrzeug- Genehmigungs- und Betriebs-Verordnung (AFGBV) zugestimmt und Konkretisierungen vorgenommen. Danach haben Hersteller eines autonomen Fahrzeuges ein allgemeines Sicherungskonzept vorzulegen, dass die Funktionen des Fahrzeugs beschreibt. Die Übertragung der für die autonomen Fahrten notwendigen Daten müssen verschlüsselt sein. Da nach der AFGBV der Betrieb von autonomen Fahrzeugen weder die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs beeinträchtigen noch Leib und Leben von Personen gefährden werden darf, werden große Mengen an personenbezogenen Daten zur Vermeidung von Unfällen verarbeitet. Um das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer vorhersagen zu können, ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten, die eine datenschutzrechtliche Einwilligung voraussetzt und somit auch eine automatisierte Entscheidungsfindung für die Verarbeitung solcher Daten erschwert. Insoweit wird sich zukünftig zeigen müssen, wie Datenschutz und Verkehrssicherheit einhergehen können. Gerade der europäische Entwurf für eine Künstliche Intelligenz (KI-VO) lässt sektorübergreifend auf Rahmenbedingungen hoffen, die KI-Systeme im Straßenverkehr zu einer besseren Verzahnung von Datenschutz und Verkehrssicherheit führen.

 

Dr. Paul Klickermann, Rechtsanwalt

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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