Das Wort Arbeit kommt vom germanischen „arbaiþi“, was Mühsal heißt. Ergibt Sinn, könnte man denken. Man könnte sich aber auch fragen: Warum kommt Arbeit nicht von Spaß

Das hat natürlich mit der Geschichte der Arbeit zu tun. Arbeit hieß für die meisten Menschen über die Jahrhunderte hinweg schwere körperliche Arbeit zur Erhaltung des eigenen Lebens. Und daran haben auch technische Errungenschaften nichts Wesentliches geändert. Selbst die industrielle Revolution hat mit ihren gewaltigen Maschinen die schwere Arbeit nicht abgeschafft, sondern sie nur zu einem Massenphänomen gemacht. Eine Welt ganz ohne Arbeit können wir uns heute gar nicht vorstellen. Und dass Arbeit Mühsal bedeutet, ist nach wie vor eine weit verbreitete Ansicht. Man geht schließlich nicht zum Spaß arbeiten, oder?

Kurzer Themenwechsel: Wie sieht es in Punkto Personal bei Ihnen aus – fällt es Ihnen leicht, Nachwuchskräfte zu begeistern und langfristig zu binden? Falls ja, gehört Ihr Unternehmen zur glücklichen Minderheit. Personalmangel und die sogenannte Fluktuation sind weitverbreitete Phänomene. Die Gründe dafür werden von Politik und Gesellschaft heiß diskutiert. Was man aber mit einiger Sicherheit feststellen kann, ist, dass junge Menschen heute einen anderen Anspruch an ihre Arbeit haben. Dabei spielt zum Beispiel die Arbeitsumgebung eine wichtige Rolle. Aber auch das vielbeschworene Mindset: Junge Talente wollen sich im Beruf selbst verwirklichen, ihre eigenen Ideen einbringen und damit etwas Sinnvolles erreichen.

Aber ist das wirklich neu? Oder nur der Enthusiasmus, der jeder jungen Generation zu eigen ist? Sicher ist: Wenn man nach dem Motto vorgeht „das gibt sich wieder“, dann wird man das akute Problem mit dem Recruiting nicht lösen können. Schwerwiegender dürfte aber sein, dass man damit das Problem noch verschärft. Offensichtlich hat sich noch etwas anderes verändert, dass nichts mit dem klassischen Generationenproblem zu tun hat. Dieses Andere geht tiefer, ist weitreichender und hat das Potenzial, große Erschütterungen in Wirtschaft und Gesellschaft hervorzurufen – es ist unser Begriff von der Arbeit selbst.

Wir leben in revolutionären Zeiten

Um zu verstehen, wie es dazu kam und was das bedeutet, muss man sich die Veränderungen vor Augen führen, die sich in relativ kurzer Zeit – ungefähr im Verlauf der letzten 25 Jahre – ereignet haben. Dass diese Zeitspanne mit einem Generationenwechsel korrespondiert, ist dabei nicht unerheblich, doch dazu später. Dieses Viertel eines Jahrhunderts hat das Gesicht unserer Welt vollkommen verändert. Digitale Technologien haben sich rasant weiterentwickelt und sind tief in alle Lebensbereiche eingedrungen. Nicht wenige sprechen gar von einer digitalen „Revolution“. Eine Bezeichnung, die einiges für sich hat, wenn man sieht, wie große, alteingesessene Industriekonzerne von Internet-Startups vor sich her getrieben werden.

Wie bei Revolutionen üblich haben die damit verbundenen Änderungen sehr weitreichende Konsequenzen. Und sie gehen tief in die Substanz. Viele Unternehmen haben hektisch reagiert, um nicht zu sagen: mit der Brechstange. Neue Technologien wurden über die alten gestülpt, neue Geschäftsfelder aus dem Boden gestampft. Dabei hat man oftmals übersehen, dass die neuen digitalen Werkzeuge nicht einfach nur verbesserte Versionen der alten Werkzeuge sind. Mit dem digitalen Wandel der letzten Jahrzehnte kamen auch vollkommen neue Arbeitskonzepte. Mobilität, Automatisierung, künstliche Intelligenz – all das stellt altbekannte und etablierte Abläufe in Frage. Und vor allem: Damit werden Freiräume eröffnet, die etwas bisher Unbekanntes ins Spiel bringen.

Menschen nutzen Freiräume zur Entfaltung ihrer Kreativität. Dass digitale Technologien menschliche Kreativität freisetzen, ist für viele Unternehmen tatsächlich aber ein Schock. Das klingt vielleicht seltsam, denn Kreativität wird gerne als Voraussetzung für Erfolg und Fortschritt verkauft. In Wirklichkeit spielt sie aber in unseren traditionellen Arbeitskonzepten keine Rolle. Vielerorts wird Kreativität misstrauisch beäugt und in jedem Fall kontrolliert, in engen Grenzen gehalten oder gar abgewürgt. Ein System, das auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und Wiederholung basiert, braucht keine Kreativität. Sie stört sogar den ordnungsgemäßen Ablauf.

Hier finden wir die Ursache der sogenannten Disruption, die mit dem digitalen Wandel einhergeht. Und zugleich auch für die Verunsicherung, die viele Unternehmen zu technologischen und kommerziellen Schnellschüssen genötigt hat. Die Erschütterung kommt direkt aus der Freiheit, aus der kreativen Energie, die unseren bisherigen Begriff von Arbeit radikal in Frage stellt. Das Neue und Unbekannte in diesem Begriff von Arbeit sind nicht die Technologien. Das Unbekannte sind wir selbst.

Worum es beim digitalen Wandel eigentlich geht

Die Tatsache, dass die heute 25-Jährigen mit der digitalen Revolution aufgewachsen sind, macht also klar, warum diese Generation einen grundsätzlich neuen Begriff von Arbeit hat. Und es reicht wahrscheinlich nicht aus, diesen Begriff zu verstehen oder seine Folgen irgendwie „einzufangen“. Unternehmen müssen sich der kulturellen Erschütterung stellen und der Tatsache, dass sie sich selbst verändern müssen. Es geht um Neugier, die Entdeckung und Weiterentwicklung von Begabungen, um Leidenschaft – mit einem Wort: um den Spaß an der Arbeit.

Das ist keine Modeerscheinung, die vorbei geht. Es ist der Kern des digitalen Wandels. Menschen wollen keine starren Strukturen mehr, keine Arbeitsmühle, in der sie zerrieben werden. Sie wollen in ihrer Arbeit leben, sich an einer gemeinsamen, sinnstiftenden und zukunftsweisenden Sache beteiligen, die sie ausfüllt und bei der sie sich weiterentwickeln können.

Arbeiten heißt übrigens auf Isländisch „vinna“, aus dem Germanischen winnaną, was so viel wie streben, wünschen, begehren oder lieben bedeutet.

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