OEM&Lieferant 2/2024

12 Interview Transformation für mehr Klimaschutz in Produktion und Logistik – die große Herausforderung Interview mit Prof. Klaus-J. Schmidt, Board Member, Executive Consulting, Expert Production & Logistics, EVP Institut for Production & Logistics, Hochschullehrer „Strategische Transformation ist das Gebot der Stunde.“ Dieses kraftvolle Statement von Roland Berger würde Prof. Klaus-J. Schmidt wohl ohne Zögern uneingeschränkt gegenzeichnen. Als Leiter des AKJ Automotive und des Instituts für Produktions- und Logistiksysteme liegt sein Forschungs- und Beratungsschwerpunkt auf allen Facetten des industriellen Transformationsprozesses entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette. Im Interview mit Dr. Rudolf Müller erläutert er Fragen zur Bedeutung des Transformationsprozesses für Industrie und Gesellschaft. Die Transformation für mehr Klimaschutz stellt für unsere Wirtschaft sicherlich die größte Herausforderung der letzten Jahre dar, zumal sie derzeit durch externe Faktoren wie geopolitische Kräfteverschiebungen, ein gewachsenes Selbstbewusstsein des Globalen Südens und erhebliche krisenhafte Veränderungen unserer Energieversorgung zusätzlich belastet wird. Gleichzeitig verändern sich Märkte und damit auch ökonomische Strukturen. Beispielhaft sei hier nur der kometenhafte Aufstieg chinesischer Automobilhersteller, insbesondere im Bereich der E-Mobilität, auf dem europäischen und dem nordamerikanischen Markt erwähnt. Welche Strukturen unserer Industrie werden sich im Zug der Transformation zu mehr Klimaschutz am stärksten verändern? Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt: Die von Ihnen angesprochene Transformation ist in der Tat eine der größten Herausforderungen, mit denen unsere Wirtschaft und hier vornehmlich die Automobilindustrie konfrontiert ist. Diese Branche steht aufgrund ihres signifikanten Beitrags zu den globalen CO₂- Emissionen und ihrer Rolle als Schlüsselindustrie in vielen Ländern besonders im Fokus. Dementsprechend intensiv werden die Veränderungen in diesem Industriesegment mit all den verbundenen Bereichen und Zuliefern auch sein. Einen Veränderungsschwerpunkt sehe ich in den Antriebstechnologien und den sich daraus ergebenden Modifikationen im Produktportfolio, die sich aus der Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe ergeben. Dies erfordert nicht nur Veränderungen in der Produktentwicklung, sondern auch in den Produktionsprozessen, da Elektrofahrzeuge weniger Komponenten benötigen und sich Lieferketten für Batterien und Elektromotoren signifikant von denen für Verbrennungsmotoren unterscheiden. Eng damit verbunden sind Veränderungen bei Lieferketten und der Rohstoffbeschaffung. Die Nachfrage nach für die Batteriezellenproduktion erforderlichen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel und anderen Metallen steigt, was zu einem Umdenken in der Beschaffungsstrategie und möglicherweise zur stärkeren Integration oder Sicherung von Rohstoffen kommt, zumal diese ungleichmäßig global verteilt sind. Keineswegs ausschließen können wir die geografische Verschiebung von Produktionsstandorten. Insbesondere in der Batterieproduktion, in der wir mit unserer Industrie eher schwach vertreten sind, werden Länder und Regionen mit Zugang zu sauberer Energie, Rohstoffen und technologischem Knowhow bevorzugte Standorte für neue Fabriken werden. Dies wird wiederum zu Konsequenzen im Bereich von Distribution und Logistik führen, da Netzwerke und Lieferketten unter dem Gesichtspunkt höherer Resilienz und Flexibilität gegenüber geopolitischen Spannungen oder Ressourcenknappheit angepasst werden müssen. Die Wettbewerbslandschaft wird sich durch das Auftreten neuer Akteure, wie zum Beispiel die chinesischen Automobilproduzenten im Bereich von E-Fahrzeugen, deutlich verändern. Dazu kommt, dass die traditionellen Automobilhersteller ihre Geschäftsmodelle im Hinblick auf digitale Dienstleistungen, Konnektivität und nachhaltige Mobilitätslösungen anpassen müssen. Auch klassische Organisationsfunktionen wie Dr. Rudolf Müller Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt

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