Von VDA-Geschäftsführer Dr. Joachim Damasky. 

Die Automobilbranche befindet sich in einem Transformationsprozess, der Unternehmen und Beschäftigte wie nie zuvor vor viele Herausforderungen gleichzeitig stellt: Erstens der Rückgang der weltweiten Automobilkonjunktur – mit Auswirkungen auf Kapazitäten, Produktion, Export und Beschäftigung. Zweitens die großen handelspolitischen Unsicherheiten. Der Brexit kommt hinzu. Drittens die Elektromobilität und Digitalisierung.

Wir haben es mit einem fundamentalen Strukturwandel zu tun, der hohe Investitionen bei zeitgleich nachlassender Marktdynamik erfordert. In vielen Unternehmen ist die Anspannung zu spüren. Hersteller und Zulieferer passen Kapazitäten an, steigern die Effizienz, bereinigen ihr Produktportfolio und verbessern ihre Kostenstrukturen. Das umfasst auch in einigen Unternehmen mittelfristig die Beschäftigung.

Die EU-Kommission hat gerade angekündigt, dass sie im Zuge des „Green Deal“ unter anderem die Regeln zu CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ab Juni 2021 überprüfen will. Damit besteht die Gefahr, dass diese weltweit schärfsten Flottengrenzwerte ein weiteres Mal verschärft werden könnten. Dabei wurden die jetzt gültigen Grenzwerte erst vor einem Jahr verabschiedet; sie werden von den Unternehmen nur mit großer Kraftanstrengung zu erreichen sein.

Die Politik in Brüssel wie in Berlin muss sich bewusst sein, dass diese Pläne für die Automobilindustrie sehr kritisch sind, weil die Unternehmen sich nach der Entscheidung im vergangenen Jahr an der sehr ehrgeizigen Zielsetzung von minus 37,5 Prozent für Pkw bis 2030 ausrichten.

Die deutsche Automobilindustrie steht hinter den ambitionierten Pariser Klimazielen und dem Plan der EU-Kommission, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Klimaschutz hat Priorität, muss aber zugleich ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich gestaltet sein. Die damit verbundenen Ziele erreichen wir nicht durch immer neue Vorgaben und Zwischenziele. Unsere Unternehmen brauchen Planungssicherheit, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen zu können.

Hersteller wie Zulieferer investieren massiv in alternative Antriebe. Die neuen Modelle stoßen immer weniger CO2 aus oder sind CO2-neutral. Darüber hinaus streben wir im gesamten Wertschöpfungsprozess CO2-Neutralität an – von der Entwicklung über die Produktion des Automobils bis zum Vertrieb und zur Nutzung und Verwertung des Fahrzeugs. Es gilt jetzt, die schnelle Marktdurchdringung von E-Fahrzeugen voranzutreiben. Unsere Hersteller werden bis 2023 ihr Modellangebot auf über 150 E-Modelle verfünffachen. Weltweit kommt jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb bereits heute aus Deutschland.

Auch wenn der Schwerpunkt auf der Elektromobilität liegt, arbeiten wir weiter an alternativen Antrieben und Kraftstoffen, denn langfristig wird es bei den Antriebsarten einen Technologiemix geben. Unsere Unternehmen treiben Forschung und Entwicklung in den Segmenten klimaneutrale E-Fuels, CNG und Wasserstoff aktiv voran. Doch damit diese Technologien auch im Markt ankommen, müssen jetzt die richtigen politischen Weichen gestellt werden. Es geht nicht nur um eine Antriebsart, deren Hochlauf wir mit aller Kraft vorantreiben. Es geht um einen politisch-gesellschaftlich getriebenen Systemwechsel. Die deutsche Automobilindustrie leistet mit Nachdruck ihren Beitrag dafür.

Allerdings sollten sich alle Akteure darüber im Klaren sein, dass die CO2-Reduktion eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die sich nicht auf eine Branche reduzieren lässt. Nur eine strukturübergreifende Vorgehensweise ist effizient und nur mit den richtigen Rahmenbedingungen, mit passenden Anreizen und Infrastrukturinvestitionen sind die anspruchsvollen Ziele zu realisieren. Die deutsche Automobilindustrie stellt sich offensiv diesen Herausforderungen. Wir bringen damit den Wunsch der Menschen nach individueller Mobilität und den Klimaschutz in die Balance. Fortschritt wird durch Anreize angetrieben, starre Verbote bremsen ihn.