OEM&Lieferant 2/2025

50 Marion Plocher: Dies wird nur funktionieren, wenn alle Handlungs- und Planungsinstrumentarien auf den Prüfstand gestellt und daraufhin unter die Lupe genommen werden, ob sie geeignet sind, auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren. Konkret heißt das, dass Planungsprozesse neu gedacht, Planungshorizonte gegebenenfalls verkürzt und in verschiedenen Varianten geplant werden müssen. Lieferketten müssen neu aufgestellt und situativ mehr regionalisiert werden. Auch die Erfolgskriterien für Standorte müssen unter dem Einfluss neuer externer Faktoren neu definiert werden. Dies geht bis weit in die Produktentwicklung hinein. So scheint sich immer mehr abzuzeichnen, dass die Märkte in den USA, China und Europa nach unterschiedlichen Produkt- und Mobilitätskonzepten verlangen, denen sowohl Hersteller als auch Zulieferer Rechnung tragen müssen. OEM&Lieferant: Verfügen denn unsere Unternehmen über das erforderliche Management, um diese Krisen zu meistern? Marion Plocher: Angesichts der Vielschichtigkeit der Krisen und Konflikte und der historischen Einzigartigkeit wäre es vermessen zu behaupten, ein Unternehmen besäße all die erforderlichen Fähigkeiten, um sich aus dieser Situation zu befreien. Wir müssen uns vielmehr mit der Interview I Job und Karriere Schlüsselkompetenz Resilienz Jobverluste, Rezession, Absatzrückgänge, Transformation – Begriffe, die die aktuelle Situation in der Automobil- und Zulieferindustrie prägen. Was können Unternehmen tun und welche Management-Kompetenzen sind in dieser Situation erforderlich, um erfolgreich Wege aus der Krise zu finden? Dazu sprach OEM&Lieferant mit Marion Plocher, CEO/Founder der Plocher Executive Find GmbH, Stuttgart OEM&Lieferant: Laut einer Studie des Beratungsunternehmens EY sind allein im vergangenen Jahr 20.000 Jobs in der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie weggefallen. Der brancheneigene VDA prognostiziert sogar den Verlust von 190.000 Jobs bis 2035 infolge der Transformation – eine mehr als dramatische Entwicklung. Marion Plocher: Von einer dramatischen Entwicklung zu sprechen, scheint mir etwas zu hoch gegriffen. Aber die Situation ist in der Tat besorgniserregend und fordert von allen Beteiligten in besonderem Maß Handlungsfähigkeit und Entschlusskraft. OEM&Lieferant: Was sehen Sie in der aktuellen Situation als besorgniserregend an? Marion Plocher: Die aktuelle Krise unterscheidet sich von vergangenen Entwicklungen wie zum Beispiel der Öl- oder Finanzkrise dadurch, dass diese sowohl in ihren Ursachen als auch Wirkungen weitgehend monokausal waren. In der aktuellen Situation kumulieren verschiedene Faktoren und überholen sich in ihrer Kausalität gegenseitig. Dies endet in einem Bild bisher nicht gekannter Komplexität. So führt auf der politischen Seite die globale Machtverschiebung zwischen USA, China, Europa und dem Globalen Süden zur Neubewertung von Märkten, die sich augenblicklich durch eine von niemandem vorhergesehene US-Zollpolitik plötzlich relativiert. Diese wiederum hat Auswirkungen auf Standortfragen, Lieferketten und Sourcing-Entscheidungen. Die Relevanz von Umwelteinflüssen, wie die Intensität von CO₂-Emissionen, scheint zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung abzunehmen, nachdem sie über Jahre Leitcharakter hatte. Und nicht zu vergessen: wir befinden uns nach wie vor mitten im Transformationsprozess hin zur E-Mobilität. Das alles findet statt vor dem Hintergrund einer anhaltenden Rezession im Inland. OEM&Lieferant: Wie können die Unternehmen der Branche auf diese Herausforderungen reagieren? Bild: © Mario Stockhausen

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