OEM&Lieferant Ausgabe 2/2020

14 Innovationen Projektbericht zum AVL DRIVINGCUBE ™ Von der Vision zur Realität Ein hochdynamischer Vehicle-in-the-Loop-Prüfstand im Einsatz an der Technischen Universität Berlin Von Dr. Christian Schyr, Project Manager Principal Engineer, AVL Deutschland GmbH Der Fachbereich Kraftfahrzeuge der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Steffen Müller plante im Jahr 2016 die Anschaffung eines hochdynamischen Vehicle-in-the-Loop-Prüfstands (ViL-Prüfstand) zur Untersuchung, Analyse, Entwicklung und Forschung an Fahrzeugführungsregel-, Antriebs-, Fahrwerk- regel- und Energiemanagementsystemen von Fahrzeugen. Der Prüfstand stellt mittlerweile das Herz des KFZB- Versuchszentrums für Kraftfahrzeugforschung der TU Berlin am Campus Wedding dar. Das Prüfstandskonzept baut auf einen 4WD- Antriebsstrangprüfstandmit Gesamtfahrzeug auf. Zur Sicherstellung realer Einsatzbedingun- gen – bis in den fahrdynamischen Grenzbereich – kommen hochdynamische Synchronmaschi- nen zum Einsatz. Lenkeingriffe werden durch die mechanische Entkopplung des Lenkge- stänges am Radträger und das Anbringen eines linearen Lenkaktuators ermöglicht. Über Sensorschnittstellenwird das Testfahrzeug an die virtuelle Umgebung angebunden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Steuergeräte im Fahrzeug mit allen notwendigen Umgebungs- und Fahrdynamikgrößen versorgt werden. Für die effiziente Entwicklung und Bewertung von innovativen Betriebsstrategien an Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommt ein Batterie- simulator zum Einsatz. Die Inbetriebnahme erfolgte im Frühjahr 2018. Direkt im Anschluss ergab sich die Möglichkeit in einer Kooperation mit dem Fraunhofer-In- stitut für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) in Berlin, den Prüfstand im For- schungsprojekt RobustSENSE einzusetzen. Aufgabe war die Integration und Validierung einer neuen Plattform für robuste und zu- verlässige Umfelderkennung für Fahrerassis- tenzsysteme und hochautomatisiertes Fahren auch bei widrigen Wetterbedingungen. Zum Funktionsnachweis und zur Demons- tration der Projektergebnisse rüsteten die Ingenieure ein Forschungsfahrzeug mit einer robusten Systemarchitektur für die beiden Fahrfunktionen Adaptive Längsregelung (ACC – Adaptive Cruise Control) und Spurhal- teassistent (LKA – Lane Keep Assist) aus. Zur Umfelderkennung wurden neben der serien- mäßigen Sensorik auch zusätzliche Referenz- sensoren (Lidar und Kamera) verbaut. In realen Fahrversuchen wurden zuvor unter winterlichen Bedingungen auf Überland- straßen und Autobahnen die für die Um- felderkennung und Fahrdynamik kritischen Szenarien identifiziert und anschließend für den AVL DRIVINGCUBE™ virtuell abgebildet. Entsprechend der Validierungsmethode von RobustSENSE ersetzten die Projektbeteiligten die realen Fahrzeugsensoren am Prüfstand durch Sensormodelle. Es wurden hier Sensor- modelle für die Erkennung dynamischer Ob- jekte und Straßenlinien sowie für Daten aus hochaufgelösten Karten, Lokalisierungmittels Satellitennavigation und Car2X-Kommunika- tion implementiert. Am Prüfstand konnte das Verhalten der auto- matisierten Funktionen bei unterschiedlichen Witterungs- und Verkehrsverhältnissen unter realen Belastungen des Antriebs-, Brems- und Lenksystems sowie der zugehörigen Steuer- geräte und Anzeigen im Cockpit überprüft werden. Durch die gleichzeitige Visualisierung der erfassten Umgebung und der erkannten Objekte in der RobustSENSE-Plattform ließ sich deren Funktion und Zuverlässigkeit sehr effizient am Prüfstand testen. Mit dem Vehicle-in-the-Loop-Prüfstand AVL DRIVINGCUBE™ ist die TU Berlin heute in der Lage, vollumfängliche Forschungen und Ver- suche an selbstfahrenden und elektrifizierten Fahrzeugen durchzuführen. Die neue Tech- nologie erlaubt es, neben der Untersuchung klassischer Antriebssysteme auch das An- triebs- und Energiemanagement von E-Fahr- zeugen sowie autonome Fahrfunktionen zu untersuchen. Das umgesetzte Konzept eines Fahrzeugprüf- standes zum Betrieb sowohl des Antriebs- stranges als auchdes Lenk- undBremssystems in Kombination mit der Simulation von Um- feldsensoren und der Fahrzeugkommunika- tion schließt die Lücke zwischen dem realen Fahrversuch und Tests auf konventionellen HiL-Prüfständen. Es bietet ein hohes Maß an Testeffizienz und ermöglicht die Validierung von unterschiedlichen Komponenten und Bilder: © AVL Deutschland GmbH

RkJQdWJsaXNoZXIy MjUzMzQ=