8 Chancen und Risiken einer industriellen Transformation für die Wirtschaft im Saarland Interview mit Prof. Dr. Klaus-Jürgen Schmidt, Board Member, Executive Consulting, Expert Produktion & Logistics, Hochschullehrer; Institut für Produktions- und Logistiksysteme Prof. Schmidt GmbH, Saarbrücken Rezession und Strukturwandel treffen die Saarwirtschaft und hier insbesondere die Automobil- und Zulieferindustrie besonders hart. Bereits 2024 war der Branchenumsatz um circa 15 Prozent zurückgegangen. Die strukturell von Transformationsanforderungen stark getroffene Zulieferindustrie meldet ebenfalls zweistellige Umsatzeinbußen. Werkschließungen wie die von Ford in Saarlouis nähren schlimmste Befürchtungen. Wird die Automobilindustrie im Saarland Opfer der Strukturkrise? Prof. Dr. Schmidt: Die saarländische Automobilbranche erfährt durch die technologische Transformation zur E-Mobilität und die globale Konjunkturabschwächung einen doppelten Schock. Der hohe Umsatzrückgang im Jahr 2024 spiegelt nicht nur zyklische Effekte, sondern gibt auch einen Hinweis auf tieferliegende Strukturprobleme. Wobei die Schließung des Ford-Werks in Saarlouis sicherlich einen historischen Einschnitt markiert. Dies bedeutet nicht notwendigerweise das Ende der Automobilindustrie in dieser Region. Allerdings müssen wir uns darauf einrichten, dass nach einer erfolgreichen Transformation automobile Industriestrukturen mit geringeren Umsatz- und Beschäftigungsvolumina und auf anderen Technologiefeldern vorhanden sein werden. Transformationsprozesse sind für das Saarland ja nichts Neues. Ausgangs der 70er Jahre hatte man sich bereits erfolgreich aus der Monostruktur von Kohle und Stahl befreit und sich zu einem erfolgreichen Standort für Fahrzeugbau, Maschinenbau und Stahlindustrie entwickelt. Ist ein vergleichbarer Prozess jetzt ebenfalls zu erwarten oder ergeben sich andere Perspektiven? Prof. Dr. Schmidt: Der gegenwärtige Wandel im Saarland weist bemerkenswerte Ähnlichkeiten zur Montankrise der 1970er Jahre auf, als binnen drei Jahrzehnten 60.000 Bergbau- und Stahljobs verloren gingen. Damals gelang durch gezielte Ansiedlungspolitik und den Aufbau eines Zuliefernetzwerks die Neuausrichtung. Heute zeigt sich demgegenüber jedoch ein qualitativer Unterschied. Während der frühere Strukturwandel innerhalb produzierender Sektoren stattfand, erfordert die Dekarbonisierung systemische Innovationen über Industriegrenzen hinweg. Neue Wachstumspole bilden sich im Bereich der Wasserstofftechnologien und Halbleiterproduktion, wie die Ansiedlungsbemühungen um Wolfspeed zeigen. Parallel entsteht mit dem CISPA-Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit ein international sichtbarer IT-Forschungscluster, wenngleich diese Arbeitsplätze über viele Jahre hinweg wohl aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Eine Ausnahme bildet die Stahlindustrie, die sich vom CO2-Emittenten zum Wasserstoffpionier transformiert – ein Paradigmenwechsel, der in den 1970ern undenkbar war. Aber es gibt auch Ökonomen, die vor überzogenen Erwartungen warnen. Eine infolge der Dekarbonisierung voraussichtlich sinkende Wertschöpfung muss durch komplementäre Dienstleistungen kompensiert werden, was in der Vergangenheit in Einzelfällen ja bereits erfolgreich umgesetzt werden konnte. Leider sind derzeit in diesem Sektor jedoch keine Schwerpunkte zu erkennen. Entscheidend für das Saarland wird sein, ob die Region ihre traditionelle Stärke in der Metall verarbeitenden Industrie mit digitalen Geschäftsmodellen verbinden kann. Prof. Dr. Klaus-Jürgen Schmidt
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