OEM&Lieferant 1/2025

7 Produzenten, wie wir ihn aus der Vergangenheit kennen, hin zum umfassenden Dienstleister und Gestalter von kreislauffähigen Produkten. Wenn Nachhaltigkeit eine wesentlicher Erfolgsfaktor für einen gelungenen Transformationsprozess darstellt, wie kann diese in unserer nach wie vor stark industriell geprägten Wirtschaft verbessert werden? Prof. Dr.-Ing. Valeske: Wenn wir ein Optimum zwischen Ökologie und Ökonomie erreichen wollen, ist Nachhaltigkeit der Erfolgsfaktor. Dabei stellen die eingesetzten und genutzten Ressourcen in Form der verwendeten Materialien, der eingesetzten Energie sowie die zur Steuerung benötigten Digitalressourcen, d.h. Produkt- bzw. Prozessdaten die Schlüsselfaktoren, um eine in dieser Hinsicht zukunftsfähige Produktion sicherzustellen. Eine solche umfassende und nachhaltig angelegte Produktion fußt auf diesem Dreiklang von Material, Energie und Daten. Es gilt, alle Rohstoffe und Ressourcen innerhalb des Produktionskreislaufs optimal zu nutzen. Das heißt, alle in irgendeiner Art und Weise verwertbaren Produktelemente müssen in neue Produkte überführt und damit einer neuen Verwendung zugeführt werden. Es muss schonend und effizient mit den Ressourcen umgegangen werden. Das hilft unserer Umwelt und unserer Wirtschaft. Dazu müssen die Unternehmen neue Kompetenzen im Hinblick auf Produkte und Märkte aufbauen. Dies erfordert die Überprüfung aller tradierten Prozesse und gegebenenfalls eine tiefgreifende konzeptionelle Neuausrichtung. Diese Herausforderung ist existenziell. Wir verfügen jedoch gerade an unserem Standort Saarland über gelungene Beispiele aus der Vergangenheit, die beweisen, dass dieser Schritt einer grundlegenden Transformation gelingen kann. Auch am Fraunhofer IZFP haben wir uns dieser Veränderung gestellt und unsere Forschung für Sensor- und Datensysteme daher an den essentiellen Leitfragen für Sicherheit, Nachhaltigkeit und Effizienz zum Vorteil der deutschen Wirtschaft und zum Wohle unserer Gesellschaft ausgerichtet. Unser Standort hat sich in der Vergangenheit nicht durch einen besonders hohen Durchdringungsgrad in Fragen der Digitalisierung hervorgetan. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen scheuen oft den Schritt in eine intensivierte Digitalisierung. Aber gerade in der Smarten Produktion sehen Sie ein hohes Chancenpotential. Was muss inhaltlich in den Produktionsprozessen geschehen, um das zu erreichen? Prof. Dr.-Ing. Valeske: Die Digitalisierung ist ein Kernelement von Industrie 4.0 und wurde in ihren Grundzügen bereits vor zehn Jahren entwickelt. Auf der theoretischen Seite ist klar und unumstritten, inwieweit es des Einsatzes digitaler Strukturen bedarf, um im industriellen Wettlauf auch international mithalten zu können. Unsere Unternehmen beherrschen diese Fähigkeiten auch weitgehend. Aktuell beschäftigen sich viele mit der Frage, wie mit vorhandenen Daten umzugehen ist und mit den Mitteln der KI neues Wissen generiert werden kann. Dennoch gibt es gerade im Umgang und der Nutzung von Daten in digitalen Netzwerken unter dem Gesichtspunkt der Datensicherheit eine gewisse Zurückhaltung. Die Herausforderung besteht darin, dass wir die Hürde des Souveränitätsverlusts über eigene Daten absenken und damit Perspektiven für die Nutzung unternehmensübergreifender Plattformen intensivieren. Unter anderem diese Frage und damit generell die Datensicherheit ist ein Forschungsschwerpunkt, der für unsere saarländische Wirtschaft zukunftsweisend sein wird und in die Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsstrategie einfließt. Die Transformation hin zu einer nachhaltigen und smarten Produktion ist aller Voraussicht nach langwierig und auch kostenintensiv. Werden unsere Unternehmen nach einem erfolgreichen Transformationsprozess auch wettbewerbsfähig sein? Prof. Dr.-Ing. Valeske: Im ersten Schritt sind neue Technologien kostenmäßig unterlegen. Es bedarf für die Phase der Entwicklung und Markteinführung einer staatlichen Förderung und vor allem einer starken politischen Unterstützung. Der wirtschaftliche Erfolg wird sich dann über die nächste Zeit einstellen und damit Zukunftsgarantien für unsere Gesellschaft generieren. Ohne staatliche Investitionen in derartigen Zukunftstechnologien wird unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten. Wir verfügen glücklicherweise sowohl im Saarland als auch in Europa über eine politische Förderlandschaft, die insbesondere diese langfristigen Perspektiven in ihre Entscheidungen mit einbezieht. Der Zugang und die Verfügbarkeit von Energie und materiellen Ressourcen werden die Stellung der Unternehmen auf den Weltmärkten bestimmen. Das Bestreben der Weltmächte durch die Kontrolle der Ressourcen eine dominante Weltmarktposition einzunehmen, können wir aktuell mitverfolgen. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie im Schulterschluss von Wirtschaft und Wissenschaft im Saarland sind wir für diese nächste Phase in Deutschland und Europa bestmöglich präpariert. Der Erfolg unserer saarländischen Wirtschaft in der Vergangenheit beruhte unter anderem auf der leichten Verfügbarkeit billiger Energieressourcen, zunächst Kohle und dann Erdgas. Was muss geschehen, um diesen unwiederbringlich weggefallenen Vorteil zu subsituieren und welche politischen Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich? Prof. Dr.-Ing. Valeske: Angesichts der derzeit gegebenen Rahmenbedingungen wird es uns insbesondere in der Stahlindustrie nicht gelingen, den Energiebedarf zeitnah alleine mit grünem Wasserstoff zu decken. Übergangsweise werden wir deshalb auf sogenannten blauen Wasserstoff zurückgreifen müssen, wie er im Zusammenwirken mit unseren unmittelbaren Partnerländern in Europa im heutigen Energiemix hergestellt werden kann. Ziel bleibt jedoch der Einsatz grünen Wasserstoffs. Damit dies gelingt, brauchen wir eine starke Forschungslandschaft, die in diesem Feld mit und für die Unternehmen technologische Innovationen generiert und dabei hilft, eine Wasserstoffinfrastruktur für einen nachhaltige, d.h. umwelt- und ressourcenschonende Produktionswirtschaft in Deutschland aufzubauen. Herr Prof. Dr. Valeske, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller, OEM&Lieferant

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