OEM & Lieferant - Ausgabe 1/2021

10 autoregion e. V. Die Boston Consulting Group und Prognos haben im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie eine Studie erstellt, mit welchen Maßnahmen dieses ambitionierte Ziel bei gleichem Mobilitätsanspruch bis 2030 erreichbar ist. Die Kernaussage der Studie lau- tet, dass das Erreichen des 40 Prozent- Ziels den Einsatz aller denkbaren technischen Hebel erfordere. Dazu zählt die Studie ausdrücklich unter anderem die deutliche Steigerung der eingesetzten Mengen CO2-neutraler und so- mit auch synthetischer Kraftstoffe sowie die Förderung der industriellen Skalierung von PtX-Technologien. Betrachtet man kritisch die aktuelle klimapoliti- sche Diskussion zumVerkehrssektor, mussman feststellen, dass diese technologischenAspekte mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Be- tonte die Bundesregierung in ihren Eckpunk- ten für das Klimaschutzprogramm 2030, für die Entwicklung strombasierter Kraftstoffe erforderliche Rahmenbedingungen schaffen zu wollen, scheinen sich entsprechende Aktivitä- ten doch in eher bescheidenem Rahmen abzu- spielen. So antwortete die Bundesregierung im Januar 2020 im Rahmen einer Kleinen Anfrage im Bundestag auf die Frage, welche Maßnah- men vorgesehen seien, um das Gewinnen von erneuerbaren Energien und konkret E-Fuels marktfähiger zu machen mit der Aussage: Man prüfe verschiedene Instrumente, um den Markthochlauf von synthetischen Kraft-, Treib- und Grundstoffen auf der Basis erneuerbarer Energien (PtX) zu unterstützen. Nach kraft- vollem Handeln hört sich das nicht an. Nicht verschwiegen werden darf, dass das Bundesumweltministerium bereits im Juli 2019 ein Aktionsprogramm für strombasierte Brennstoffe vorgestellt hat, innerhalb dessen eine PtX-Demonstrationsanlage in der Ener- gieregion Lausitz errichtet werden soll. Kon- krete Ergebnisse stehen noch aus. Die deutliche Steigerung der Zulassungszahlen von batterieelektrisch angetriebenen Fahr- zeugen und vor allem von Hybrid-Fahrzeugen im letzten Halbjahr, befeuert von hohen staat- lichen Kaufanreizen und steuerlichen Entlas- tungen, scheint die Illusion zu nähren, dies sei der alleinige Königsweg zum Erreichen der hoch gesteckten Klimaziele. Andere Technolo- gien – und vor allem der Einsatz synthetischer Kraftstoffe- drohen aus demFokus politischer und industrieller Entscheider zu geraten. In der Tat ist es doch ein allzu verlockendes Sze- nario, was mit dem flächendeckenden Einsatz synthetischer Kraftstoffe denkbar erscheint. Allein die Vorstellung, ohne großen technischen Umrüstaufwand alte Verbrennungsmotoren weiter mit synthetischen Kraftstoffen betrei- ben zu können, zaubert allen Besitzern kraft- strotzender PS-Boliden ein Lächeln ins Gesicht. Doch auch der ADAC denkt in diese Richtung, wenn sein Technikpräsident ausführt: „Millio- nen Verbrenner sind auf deutschen Straßen unterwegs und haben noch eine lange Lebens- dauer vor sich. Wenn die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden sollen, braucht es eine Lösung für diesen Bestand. „Folgerichtig setzt der ADAC langfristig auf E-Fuels und Wasser- stoff aus regenerativen Quellen. Doch wie realistisch ist diese Vorstellung von einer Renaissance des Verbrenners- jetzt mit CO2-neutralem Kraftstoff und worum dreht sich eigentlich die Diskussion? Synthetische Kraftstoffe – sog. E-Fuels- wer- den nicht wie Benzin oder Diesel aus fossilen Energieträgern, sondern aus erneuerbarem Strom und CO2 gewonnen. Vereinfacht darge- stellt wird in einemersten Schritt dabei mittels Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff erzeugt, der dann in einemweiteren Prozessschritt mit Kohlendioxid angereichert wird. Bei dem für die Elektrolyse erforderlichen Strom handelt es sich idealerweise um überschüssige Men- gen aus regenerativen Quellen, die nicht ins Netz eingespeist werden können. Das Endpro- dukt entspricht in seiner Struktur herkömm- lichen, aus Erdöl gewonnenem Benzin oder Diesel und setzt bei seiner Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie vorher bei seiner Produktion der Atmosphäre entzogen worden war. Bei oberflächlicher Betrachtung ist das Ergeb- nis frappierend. Würde es gelingen, synthe- tische Kraftstoffe, die vollumfänglich fossile Kraftstoffe subsituieren könnten, in ausrei- chendem Umfang wirtschaftlich vertretbar und klimaneutral herzustellen, könnte theore- tisch auf den weiteren intensiven Ausbau der batterie-elektrischen Mobilitätsmaßnahmen verzichtet werden oder er könnte zumindest stark eingeschränkt werden. Auch wäre das Problem der zentnerschweren Belastung von Fahrzeugen durch Akkus insbesondere bei schweren Nutzfahrzeugen oder auch Flugzeu- gen gelöst. Aber die Hürden, diese Technologie zur Marktreife zu bringen, sind hoch und die Anzahl der Kritiker groß. Hauptargument gegen die Förderung von syn- thetischen Kraftstoffen ist ihr geringer Wir- kungsgrad im Verhältnis zum Elektroantrieb. Ohne Zweifel schlägt der Elektroantrieb alle seine Konkurrenten, sei es Verbrenner oder Brennstoffzelle, bei der Effizienz um Längen. Einem Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent beim Elektroantrieb stehen Werte von nur 10 bis 15 Prozent bei synthetischen Kraftstoffen gegenüber. Auch wird der hohe Produktions- aufwand bei synthetischen Kraftstoffen kritisiert. Warum zunächst Wasserstoff auf- wendig erzeugen und ihn dann mit CO2 anzu- reichern, anstatt ihn gleich als Kraftsoff zu verbrennen? BMW hatte 2012 ein Modell der 7er-Reihe unter der Bezeichnung Hydrogen 7 mit einem Wasserstoffverbrennungsmotor ausgestattet. Allerdings wurden nur 100 Ex- emplare dieses Modells gefertigt. Zum Wirkungsgrad ist anzumerken, dass die Forschung zu synthetischen Kraftstoffen sich noch in einem relativ frühen Stadium befindet, was Fragen von Effizienz und Wirtschaftlich- keit angeht. Das Karlsruher Institut für Tech- E-Fuels – die vernachlässigte Alternative Von Armin Gehl, Geschäftsführer des autoregion e.V., Saarbrücken Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 seine Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Dabei ist der Verkehrssektor mit einer Einsparung von 40 Prozent bis 2030 betroffen. Um dies zu erreichen, müssen alle verfügbaren technologischen Register gezogen werden – einschließlich die Option der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe. T E I L E N Bild: © autoregion e.V. Armin Gehl, Geschäftsführer des Verbandes autoregion e.V.

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